Weil Brei nicht gleich Brei ist...

Um Kindern einen guten Start ins Leben zu ermöglichen, kommt es auch auf die richtige Ernährung an. Nur wenn sie ausreichend mit Nährstoffen versorgt werden, können sie sich altersgerecht entwickeln. Was in welchem Stadium – von der Milchernährung bis hin zum Familienessen – zu beachten ist und welche Fehler Eltern vermeiden sollten, wissen Dr. med. Carmen Knöppel, Ingrid Meese-Alles, Linda Eimer und Anna-Katharina Trübestein, Mitarbeiterinnen des Klinikums Bad Hersfeld.

Mit Milch geht es los – muss es denn Muttermilch sein oder ist auch „Fertigmilch“ in Ordnung?
In den ersten Monaten sollten Neugeborene ausschließlich gestillt beziehungsweise mit Ersatzmilch ernährt werden, wobei „echte“ Muttermilch laut der Expertinnen immer zu präferieren ist. Sie entspricht in ihrer Zusammensetzung genau den Bedürfnissen des Babys, das zum Beispiel noch nicht alle Nährstoffe verstoffwechseln kann. Muttermilch enthält aber alle wichtigen Nährstoffe, die für Wachstum, Entwicklung und Stärkung des Immunsystems benötigt werden. Sie ist hygienisch einwandfrei, richtig temperiert, in der Regel immer verfügbar und noch dazu kostenlos. Studien zufolge senkt Stillen zudem das Risiko des plötzlichen Kindstods ebenso wie das Adipositasrisiko, berichtet Dr. Carmen Knöppel.

Nicht zu unterschätzen sei darüber hinaus die soziale Komponente. Die intensive körperliche Nähe und die Zuwendung sollen die Mutter-Kind-Bindung stärken. „Fertigprodukte“ können Muttermilch nicht eins zu eins ersetzen, es sei mit Blick auf die Gesundheit des Kindes aber auch kein größeres Problem, wenn es Müttern zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sei, zu stillen. Laut der Expertinnen vom Klinikum sollten Eltern jedoch unbedingt auf die im Handel erhältlichen Säuglingsmilchnahrungen zurückgreifen und darauf verzichten, Milchnahrung selbst zuzubereiten. Auch das Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE) in Dortmund rät von der eigenen Herstellung ab. Das Risiko einer Infektion aufgrund mangelnder Hygiene oder einer Fehlernährung sei zu groß. Im Klinikum gibt es eine eigene „Milchküche“, in der bei Bedarf an 365 Tagen im Jahr von speziell geschultem Personal Säuglingsnahrung zubereitet wird. Mit Roh- beziehungsweise Kuhmilch sollten Säuglinge ebenfalls nicht gefüttert werden. Gleiches gilt laut Dr. Knöppel und ihren Kolleginnen für Ziegen- oder Sojamilch.

Und wenn es mit B(r)eikos weitergeht – lieber selber machen oder tut es auch das „Gläschen“?
Etwa ab dem vierten Monat – das heißt, mit Beginn des fünften Monats –, kann mit Bei- beziehungsweise Breikost begonnen werden. Mutter- oder Säuglingsmilch allein liefert dann nicht mehr genügend Energie und Nährstoffe, vor allem fehlt Eisen. Wertvolle und seriöse Tipps gibt es unter www.kindergesundheit-info.de. Anna-Katharina Trübestein empfiehlt zwar die frische, selbst gemachte Variante, weiß aber auch, dass die Zubereitung nicht jedem oder immer möglich ist. Gegen die typischen Gläschen sei deshalb nichts einzuwenden, Eltern sollte aber auf die Inhaltsangaben und Altersempfehlungen achten. So bekommen die Kinder das, was sie kalorisch brauchen. Das FKE empfiehlt als ersten Brei einen Gemüse-Kartoffel-Fleisch-Brei. Jeweils einen Monat später folgen Milch-Getreide-Brei und Getreide-Obst-Brei. Für Abwechslung können dabei verschiedene Gemüse-und Obstarten sorgen, eine kleine Menge Nudeln oder Fisch statt Fleisch. Kinder an die neue Nahrung zu gewöhnen, kann mitunter dauern. Eltern sollten deshalb nicht zu ungeduldig sein. Auch muss nicht sofort eine komplette Milchmahlzeit ersetzt werden. Im ersten Lebensjahr benötigen Säuglinge laut Dr. Knöppel die Vitamine K (als Neugeborene zu den Vorsorgeuntersuchungen U1-U3) und D sowie Fluorid. Über die Dosierung und Art der Zugabe berät Eltern der Kinderarzt.

Wenn Kleinkinder dann am Familienessen beteiligt werden, was sollte auf dem Speiseplan stehen und was nicht?
Die Fähigkeit, auch feste Nahrung essen zu können, entwickelt sich erst mit der Zeit. Lebensmittel wie Nüsse, Karottenstücke oder Trauben sollten Eltern dem Nachwuchs im Kleinkindalter noch nicht geben, es droht Erstickungs- beziehungsweise Aspirationsgefahr. Geeignet sind Produkte wie Zwieback, Brot oder gegarte Kartoffeln, die durch Speichel schnell weich werden. Grundsätzlich sollte das Essen nicht zu salzig und nicht zu süß sein. Ideal ist eine ausgewogene Vielfalt an Gemüse, Fleisch, Fisch und Getreide. „Im Prinzip ähnlich wie bei Erwachsenen“, erklärt Linda Eimer. Zu trinken bekommen sollten Kinder Wasser und/oder ungesüßte Kräuter- oder Früchtetees. Instanttees sind laut der Kinderkrankenschwester zu zuckerhaltig. Und auch vermeintlich gesunde Smoothies seien wegen des hohen Zucker- und Fruchtsäuregehalts nicht geeignet. Wenn es Schorle sein soll, dann 1:3 verdünnt. Möglichst früh sollten Kinder lernen aus dem Becher oder Glas zu trinken. Von nächtlichem „Botteling“, womöglich mit Kakao oder Fruchtsaft-Flasche, rät Dr. Carmen Knöppel unter anderem wegen des Kariesrisikos eindringlich ab.

Drei Hauptmahlzeiten – gilt das für Kinder ebenso wie für Erwachsene?
Jein. Empfohlen werden drei Hauptmahlzeiten und zwei Zwischenmahlzeiten, gerade bei sehr aktiven Kindern. Oft würde der Kalorien- beziehungsweise Energiebedarf aber auch überschätzt. Empfohlene Portionsgröße ist die eigene Hand, das gilt für Kinder ebenso wie für Erwachsene. Übergewicht schon im Kindesalter setze sich meist auch später fort, warnen die Expertinnen. Die Folgen sind Bluthochdruck, Stoffwechselstörungen, Diabetes Typ 2 und Gelenkbeschwerden. Etwa 20 Prozent der Drei- bis Siebenjährigen seien laut einer Langzeitstudie des Robert-Koch-Instituts zur Gesundheit der Kinder und Jugendlichen in Deutschland übergewichtig, so Dr. Knöppel.

Darf es denn auch mal was Süßes zwischendurch sein?
Gegen eine kleine Nascherei ab und zu ist nichts einzuwenden. Allerdings sind zu viele Kalorien eben genauso schlecht wie zu wenig. In Maßen statt Massen, lautet das Motto bei allem. Bei Vitaminen ebenso wie bei Süßigkeiten. Viele Eltern haben immer und überall Kekse, Milchbrötchen und Co. dabei, beobachtet Anna-Katharina Trübestein. „Das muss bei einem Ausflug zum Spielplatz nicht sein“, sagt die Diätassistentin.

Welche Fehler werden häufig gemacht?
Kinder sollten grundsätzlich nicht vor dem Fernseher oder beim Spielen essen – durch die Ablenkung ist unter anderem die Gefahr, sich zu verschlucken, größer. Ein weitverbreiteter Irrtum sei, dass speziell ausgezeichnete Kinderprodukte gesund sind; oft ist das Gegenteil der Fall, warnen die Expertinnen.  Kritisch stehen diese auch rein vegetarischer oder veganer Kost für Kleinkinder gegenüber. „Die Gefahr von Mangelernährung ist groß“, betont Ingrid Meese-Alles. Spezielle Diäten sollten nur nach ärztlicher Verordnung/Überwachung und nicht nach Selbstdiagnosen erfolgen. Sie können zum Beispiel bei angeborenen Stoffwechselstörungen oder Allergien notwendig sein. Ebenso sollten Eltern Ersatzmilch nicht zu oft wechseln, etwa wenn der Verdacht auf Koliken besteht. In der Regel verstärke sich das Problem dann eher. Was Kinder im ersten Lebensjahr keinesfalls essen sollten, ist Honig. Er kann Sporen des Bakteriums Clostridium botulinum enthalten, die bei Babys den sogenannten Säuglingsbotulismus auslösen können. (Foto,Text: Nadine Maaz)

ZUR PERSON

Dr. med. Carmen Knöppel ist 47 Jahre alt, hat in Marburg studiert und ist seit dem 1. November 2016 Chefärztin der Kinderklinik im Klinikum Bad Hersfeld – zusammen mit Dr. Holger Hauch. Sie ist Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin sowie Neonatologin, das heißt Expertin auf dem Gebiet der Früh- und  Neugeborenenmedizin. Da es sich um ein kooperierendes Chefarztmodell handelt, ist Dr. Knöppel  außerdem noch im Universitätsklinikum Marburg tätig.

Linda Eimer aus Bad Hersfeld ist 57 Jahre alt und examinierte Kinderkrankenschwester. Sie arbeitet seit 1990 im Klinikum und ist stellvertretende Stationsleitung.

Ingrid Meese-Alles kommt aus Hauneck, ist 58 Jahre alt und im Klinikum als leitende Diätassistentin und Ernährungsberaterin tätig. Sie arbeitet bereits seit 1986 dort.

Anna-Katharina Trübestein aus Bad Hersfeld ist 36 Jahre und hat ihre Ausbildung zur Diätassistentin an der Diätschule des Klinikums gemacht und eine Weiterbildung im Bereich angeborene Stoffwechselerkrankungen und allgemeine Pädiatrie absolviert.

Hier finden Sie den Bericht aus der Hersfelder-Zeitung vom 08.01.2020