Noch keine Hebammen-Not

Trotz fehlender Fachkräfte, unter anderem in medizinischen Berufen, hat das Klinikum in Bad Hersfeld keinen Nachwuchsmangel bei den Hebammen zu verzeichnen, erklärt die leitende Hebamme Sabine Jäger.

Vielen Geburtsstationen, auch in Hessen, mangelt es jedoch an qualifiziertem Nachwuchs, um alle Geburten und den Schichtdienst abzudecken. Teilweise müssen Kliniken, darunter die Helios-Klinik in Hünfeld, sogar den Kreißsaal zeitweise schließen, weil ihnen das Fachpersonal fehlt (wir berichteten). Am Klinikum in Bad Hersfeld sei die Lage durch den Ausbildungsbetrieb im eigenen Haus besser aufgestellt, erklärt Jäger.

Die erfahrene Hebamme arbeitet bereits seit über 30 Jahren am Klinikum in Bad Hersfeld und weiß, dass nicht alle Hebammenstudentinnen nach der Ausbildung am Klinikum in Bad Hersfeld bleiben möchten. „Es kommt darauf an, ob wir freie Stellen haben und da wir mit der Hochschule Fulda zusammenarbeiten, möchten manche auch wieder zurück in die Heimat.“

Bisher seien jedoch freie Stellen ohne Probleme nachbesetzt worden, sagt Jäger. Und das, obwohl es vom Ausbildungsstart bis zur ausgelernten Fachkraft immer längere dauere. „Es sind immer mehr Qualifikationen nötig“, sagt Jäger.

Im Klinikum arbeiten derzeit 16 Hebammen, nicht alle seien jedoch in Vollzeit beschäftigt. Einige seien neben ihrer Anstellung noch freiberuflich tätig und betreuen Frauen vor und nach der Geburt, bieten Anwendungen wie Akupunktur und Aromatherapie an. „Die vollbeschäftigten Mitarbeiterinnen sterben aus. Wer noch voll arbeiten möchte, den würden wir mit Kusshand nehmen“, fügt Claudia Walter, Bereichsleiterin im Mutter-Kind-Zentrum am Klinikum hinzu. Jäger fasst den Aufgabenberg, der eine Hebamme erwartet, zusammen: „Statistisch kommen auf eine Hebamme im Jahr 118 Geburten, die von der Krankenkasse finanziert werden.“ Das sei jedoch nicht alles. „Wir übernehmen ja noch weitere Aufgaben, wie ambulante Geburten, viel Dokumentation und einiges mehr."

Hebammenberuf verpflichtet zum Studium
Seit dem 1. Januar 2020 ist für den Beruf der Hebamme ein Bachelorstudium nötig. Dafür reichen zehn Schuljahre zum Ausbildungsbeginn nicht mehr aus, inzwischen gehen angehende Hebammen zuvor mindestens zwölf Jahre zur Schule oder müssen eine Berufsausbildung vorweisen, bevor sie das Studium beginnen. Während der Ausbildung sind die angehenden, und meist weiblichen, Hebammen rund 50 Prozent ihrer Zeit mit der praktischen Arbeit beschäftigt.

Von Plazenta-Globuli bis Walgesänge – viele Trends bei Geburten

Viel Platz für die werdenden Mütter: Im Kreißsaal des Klinikums in Bad Hersfeld können die werdenden Mütter ihr Kind in einer Gebärwanne zur Welt bringen. Unzählige Geburten hat Sabine Jäger, leitende Hebamme am Klinikum, hier schon begleitet.

Sabine Jäger ist leitende Hebamme am Klinikum in Bad Hersfeld und hat in 33 Berufsjahren viel erlebt. „Da hat eine Familie auch schon einmal einen Gottesdienst auf CD mitlaufen lassen, andere bevorzugen Walgesänge unter der Geburt“, sagt Jäger.

Die blonde Frau mit dem freundlichen Lächeln und der sanften Stimme zuckt mit den Schultern: „Wenn die Frau das während der Geburt so möchte, dann muss man da durch“, sagt sie mit einem Augenzwinkern.

Nur wenn es medizinische Bedenken gibt, muss Jäger so mancher Frau deren Geburtsideen ausreden. „Manchmal müssen wir davon abrücken, was sich eine Frau vorstellt, weil wir das Baby in einer bestimmten Position besser überwachen können“, sagt Jäger.

Auch in einer Gebärwanne im Kreißsaal können sich die werdenden Mütter entspannen und gebären. Bei Beschwerden wie hohem Blutdruck sei die Gebärwanne aber schon einmal nicht für werdende Mütter geeignet, sagt Jäger.

Besonders Frauen, die ihr erstes Baby bekommen, seien während der Geburt einer hohen Belastung ausgesetzt, so Jäger. „Für Erstgebärende ist es oft überraschend, wie anstrengend so eine Geburt dann doch ist.“

Wie überall gibt es auch bei der Geburt Trends, an denen sich die Wünsche der werdenden Eltern orientieren, erzählt Jäger. Derzeit sei unter anderem der Gebärhocker in Mode, ein Schemel in Halbmondform, der dem Becken helfen soll, sich besonders günstig zu öffnen. „Trends gab es immer, wir haben hier schon alles gehabt,“ sagt Jäger. Und ihre Kollegin, Claudia Walter, Bereichsleiterin im Mutter-Kind-Zentrum am Klinikum, hat gleich ein Beispiel parat – das sogar lebensgefährlich sein kann. „Es gab eine Phase, da haben die Eltern ihren Kindern Bernsteinketten um den Hals gelegt“, berichtet die Expertin. Die vermeintlich heilenden Steinchen können dabei verschluckt werden und die Babys können sogar ersticken oder sich strangulieren. „Wenn wir so etwas sehen, dann raten wir den Eltern ab“, sagt Walter.

Andere Trends sind weniger gefährlich, jedoch Geschmackssache. „Es gab eine Zeit, da wollten alle Nabelschnurblut spenden, andere nehmen die Plazenta mit nach Hause und machen Globuli daraus, oder vergraben sie und pflanzen einen Baum darauf“, erinnert sich Sabine Jäger.

Einen Trend hat sich zwar niemand ausgesucht, die Expertinnen sind mittlerweile jedoch froh, dass es so weit gekommen ist: das eingeschränkte Besuchsrecht seit Beginn der Coronapandemie. Dass nun weniger Besucher in die Geburtsstation strömen sei gut so, erklärt Silke Kries, Stationsleiterin der Geburtshilfe am Klinikum. „Das ist das einzig Positive an Corona, dass es dadurch ruhiger auf der Station geworden ist“, sagt sie. Vor der Pandemie kamen Oma und Opa, Tanten, Nachbarn und alle, die das Neugeborene sehen wollten. Besonders nach besucherreichen Wochenenden seien Kind und Mutter nicht selten gestresst und weinerlich gewesen.

861 Geburten haben die drei Krankenhausmitarbeiterinnen 2022 dokumentiert, begleitet, Mutter und Kind versorgt. Zwillingsgeburten seien dabei weiterhin ein Highlight, erklären die Expertinnen.

Auch nach 33 Jahren sei noch jede Geburt etwas Besonderes, sagt Jäger. „Dieser Moment, die Freude der Familie, dass man das miterleben darf, das verliert nicht an Zauber.“ Zu dem Zauber gehört jedoch manchmal auch Schmerz. „Totgeburten wird keiner vergessen. Und es sind einige Frauen, die das betrifft“, sagt die Hebamme ernst.

Trotz schwerer Momente, Kries, Jäger und Walter machen ihre Jobs gern.

Aber einen Wunsch hat Jäger dann doch: die 1:1-Betreuung in der Geburtshilfe. „Dann hätte man mehr Zeit für die Frauen, auch für Gespräche, nicht nur für die Untersuchung“, sagt die Hebamme.

Noch keine Hebammennot, HZ v. 08.02.2023

Viele Trends bei Geburten, HZ v. 08.02.2023