Dr. Bardo Kürten über die Arbeit im Impfzentrum

Fast zwei Wochen lang hat das Impfzentrum in Rotenburg nun geöffnet. Im Interview spricht der ärztliche Leiter, Dr. Bardo Kürten, über den Start in der Göbel Hotels Arena, erklärt, was mit Resten der Impf-Ampullen passiert, und sagt, was er sich vom nächsten Bund-Länder-Treffen wünscht.

Herr Dr. Kürten, sind Sie schon geimpft?
Ja, ich bin mittlerweile erst- und zweitgeimpft und darf das auch sein, weil ich wegen meiner Notarztdienste sowie meiner Tätigkeit im Impfzentrum zur entsprechenden Prioritätsgruppe zähle.

Hatten Sie Beschwerden nach den Impfungen?
Nein, gar nicht. Ich habe beide Impfungen gut vertragen, abgesehen von ein bisschen Kopfschmerzen nach der zweiten Impfung. Aber das war’s auch schon.

Angenommen, Sie hätten noch keine Spritze bekommen. Würden Sie sich auch mit dem in den vergangenen Tagen in die Kritik geratenen Impfstoff von Astrazeneca impfen lassen? Das britisch-schwedische Vakzin hat ja den geringsten Wirkungsgrad aller bisher in der EU zugelassenen Impfstoffe.
Ja, selbstverständlich würde ich mich auch mit dem Impfstoff von Astrazeneca impfen lassen. Dass die Vakzine kürzlich in den Schlagzeilen waren, weil im Saarland einige Ärzte den Impfstoff abgelehnt haben, habe ich auch mitbekommen. Wir sind nun mal durch die Pandemie in der Situation, dass sich nicht jeder mit Biontech/Pfizer oder Moderna impfen lassen kann. Bei einer Wirksamkeit des Impfstoffes von Astrazeneca nahe 70 Prozent lassen sich schwere Krankheitsverläufe einer möglichen Covid-19-Infektion deutlich reduzieren. Und das Nebenwirkungsprofil wird sich nicht wesentlich von dem der beiden bereits in Verwendung befindlichen Impfstoffe unterscheiden. Lieber eine Impfung mit Astrazeneca als gar keine Impfung.

Das Impfzentrum in Rotenburg ist jetzt rund zwei Wochen in Betrieb. Wie fällt Ihre Zwischenbilanz nach fast 700 geimpften Menschen aus?
Die Zwischenbilanz fällt durchweg positiv aus. Wir haben sehr überschaubar mit 48 Impfungen pro Tag angefangen und das über vier Stunden. Die Stimmung unter den Geimpften und den Mitarbeitern des Impfzentrums ist sehr entspannt und freundlich. Von Hektik gar keine Spur. Die Mengen der täglichen Impfungen werden jetzt allerdings auch durch mehr verfügbaren Impfstoff langsam steigen. Bis Ende März, so hoffen wir, werden wir um die 500 Termine pro Tag haben.

Gibt es etwas, das noch nicht so gut klappt?
Das klingt jetzt vielleicht komisch, aber bisher klappt alles wirklich sehr gut. Ich bin auch optimistisch, dass das so bleiben wird. Alle unsere Mitarbeiter sind bestmöglich auch auf mehr Impfungen pro Tag vorbereitet. Die sechs Anmeldeplätze im Foyer der Göbel Hotels Arena, die 18 vorbereiteten Impfkabinen und der großzügige Wartebereich für den Beobachtungszeitraum nach der Impfung reichen auch für ein relativ eng getaktetes Einbestellen der Impfenden aus.

Was passiert, wenn in einer Ampulle ein Rest übrig bleibt? Wer bekommt den dann?
Wenn am Ende einer Tagesschicht eine Dosis übrig bleibt, wird sie einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin des Impfzentrums oder einer anderen Person aus der Prioritätsgruppe 1 verabreicht. Letztens hatten wir beispielsweise 47 gebuchte Termine an einem Tag, hatten aber 48 Dosen zur Verfügung. Die 48. bekam dann eine unserer medizinischen Fachangestellten, die sonst selbst die Spritzen gibt.

Wie oft gab es schon Impfreaktionen oder Nebenwirkungen?
Komplikationen oder Nebenwirkungen bei der Impfung vor Ort haben wir bislang noch nicht beobachtet.

Vor jeder Impfung sprechen Sie im Anamnese-Gespräch mit den Impflingen. Was sind die häufigsten Fragen?
Überraschenderweise kommen da bislang, ehrlich gesagt, kaum Fragen. Die meisten Menschen sind bereits gut informiert oder haben sich im Vorfeld von ihrem Hausarzt aufklären lassen. Nur etwa zehn bis 20 Prozent der Impflinge wünschen ein ausführliches ärztliches Aufklärungsgespräch vor Ort. Das deckt sich auch mit den Erfahrungen anderer Impfzentren.
Ausgelegt ist das Impfzentrum für 1000 Menschen täglich. Aktuell bekommt der Landkreis gerade einmal 350 Dosen pro Woche für sein Impfzentrum.

Wie fühlt sich das an, wenn Sie die Kapazitäten nur zu fünf Prozent auslasten können?
Es fühlt sich schon noch sehr ruhig an. In den vergangenen Tagen haben wir zusätzlich zu den normalen Terminen, die regulär über das Impfportal vergeben werden, auch hin und wieder medizinisches Personal aus den beiden Rotenburger Krankenhäusern im Impfzentrum geimpft. Am Donnerstag kamen beispielsweise auf einen Schlag zwölf Mitarbeiter aus dem Kreiskrankenhaus dazu. Da kommt dann schon etwas Leben in die Bude. Alles in allem würden wir uns natürlich alle mehr Impfstoff wünschen.

Die Nachfrage nach Terminen ist indes ungebrochen. Bis wann sind Sie ausgebucht?
Vorerst waren bis Mitte April alle verfügbaren Termine im Rotenburger Impfzentrum vergeben. Die Terminvergabe wird sich aber nochmals entspannen. Mit der höheren Verfügbarkeit der Impfdosen werden weitere Termine frei, die gebucht werden können. Das kann bereits für Mitte März der Fall sein.

Die Bundesregierung hat versprochen, jedem Bürger bis 22. September ein Impfangebot zu machen. Ist das aus Ihrer Sicht noch realistisch?
Das ist schwierig einzuschätzen. Wir wissen schließlich nicht, was an Impfstoff noch in der Pipeline ist. Neben Biontech/Pfizer, Moderna und Astrazeneca stehen ja weitere Impfstoffe von Johnson & Johnson, Curevac und Sanofi/GSK in den Startlöchern. Dann hat Biontech zusätzliche Impfdosen angekündigt. Die Nachrichtenlage ist sehr dynamisch. Wenn hoffentlich bald ausreichend Impfstoff verfügbar ist und die Hausärzte, die uns bislang übrigens großartig als mobile Impfteams in den Senioreneinrichtungen unterstützt haben, eingebunden werden, dann könnten wir das Ziel bis Ende des Sommers noch erreichen. Wir müssten dann allerdings richtig Gas geben.

Als leitender Notarzt im Landkreis und ärztlicher Leiter des Impfzentrums gehören Sie zu den denjenigen, auf die es in dieser Pandemie ganz besonders ankommt. Was würden Sie sich vom nächsten Bund-Länder-Corona-Treffen Anfang März wünschen?
So sehr ich mir ein normales Leben wünsche: Die steigende Anzahl der Mutationen sind nicht wegzudiskutieren. Deshalb hoffe ich, dass die Politik beim Öffnen Schritt für Schritt behutsam vorgeht und nichts überstürzt. Wir halten diese Situation jetzt fast schon ein Jahr aus. Da kommt es auf eine Woche auch nicht mehr an. Denn eine dritte Welle kann niemand wollen. Foto,Text: Sebastian Schaffner

Hier finden Sie den Bericht aus der Hersfelder-Zeitung vom 22.02.2021