Ein Rennen gegen die Zeit – die Sepsis

„Der Patient stirbt nicht an einer Sepsis, er stirbt in der Sepsis“, betont Referent Prof. Dr. Matthias Wolff vom Universitätsklinikum Gießen-Marburg. Der stellvertretende Direktor der Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie war vergangenen Dienstag ins wortreich nach Bad Hersfeld angereist.

Auch heute gehört die Sepsis immer noch zu einer der häufigsten Todesursachen im Krankenhaus. Mit rund 40 Prozent liegt ihre Mortalität sehr hoch. „Das wichtigste ist, dass wir sowohl Pflegepersonal als auch Ärzte entsprechend sensibilisieren. In den ersten Stunden ist die Mortalität noch relativ gering. Wird die Sepsis früh genug erkannt und der Patient korrekt behandelt, sind seine Aussichten positiv“, appelliert Dr. med. Martin Grapengeter, Chefarzt für Anästhesiologie, Intensivmedizin und spezielle Schmerztherapie am Klinikum Bad Hersfeld, der den Vortrag eröffnet.

Doch wie erkennt man die Sepsis?

Seit den 90er Jahren galten vor allem die SIRS Kriterien (aus dem Englischen „systemic inflammatory response syndrome“) als schnelle Hilfe, um eine Sepsis zu erkennen. Die vier Kriterien erhöhte Temperatur von über 38°C, erhöhte Herzfrequenz von über 90/min, eine Atemfrequenz von über 20/min und eine Leukozytose oder Leukopenie können schnell und einfach ermittelt werden und geben einen ersten wichtigen Hinweis: Wer zwei dieser vier Kriterien erfüllt, wird weiter auf eine Sepsis getestet. Je nach Werten unterschied man zwischen einer Sepsis und bei eintretendem Organversagen je nach Grad zwischen einer schweren Sepsis und einem septischen Schock. Zunehmend jedoch gerieten die SIRS Kriterien in den vergangenen Jahren in die Kritik, da die individuellen Faktoren auf der einen Seite als sehr sensitiv, auf der anderen Seite jedoch als nicht spezifisch genug für die Diagnosestellung erachtet wurden.

Und wie genau ist die Sepsis definiert?

Seit 2014 ist eine Sepsis als „lebensbedrohliche Organdysfunktion aufgrund einer inadäquaten Wirtsantwort auf Infektionen1“ definiert. Da nach dieser Definition ein Organversagen als Kriterium einer Sepsis per se gilt, ist die bisherige Klassifizierung in Sepsis, schwere Sepsis und septischen Schock nicht weiter anwendbar. Daher kam es im Rahmen der neuen Definition auch zur Einführung eines neuen Kriteriensets zur Einschätzung von Patienten – der SOFA Test. Der „Sequential Organ Failure Assessment“-Score ist selbst nicht Teil der neuen Sepsisdefinition, bildet allerdings die darin enthaltenen Kriterien ab. Im Gegensatz zu den bisher bekannten SIRS Kriterien ist der SOFA-Score allerdings deutlich komplexer und verlangt die Abfrage von diversen Parametern, welche in der Regel nicht routinemäßig außerhalb einer Intensivstation bestimmt werden. Aus diesen Parametern konnten jedoch drei einzelne Faktoren identifiziert werden, die, wenn auffällig, mit einer Verschlechterung des Zustandes des Patienten korrelieren. Die drei Kriterien Glasgow Coma Scale von unter 14, eine Atemfrequenz von über 22/min und eine Hypotension von RRsys unter 100 mmHg wurden in dem sogenannten quick-SOFA-Test zusammengefasst und bilden damit eine einfachere und schnellere Hilfe, einen Patienten mit Sepsis zu erkennen: Wer zwei oder sogar alle drei dieser Kriterien erfüllt, der gilt als hochgradig gefährdet, eine Sepsis zu erleiden. Weitere Tests sollten durchgeführt und mit einer Behandlung umgehend begonnen werden.

Wie wird die Sepsis am besten therapiert?

Prof. Dr. Matthias Wolff sprach in seinem Vortrag zum Thema kausale, adjuvante und adjunktive Behandlungsmethoden und diskutierte gemeinsam mit dem Publikum, was im Spannungsfeld zwischen Theorie, Praxis in der Notfallsituation und Wirtschaftlichkeit tatsächlich sinnvoll ist.  „Das erste Ziel sollte es sein, den Erreger und seinen Entstehungsort zu finden. Kontrollieren Sie alle Ein- und Ausgänge, die dem Patienten gelegt wurden. Bei einem längeren Krankenhausaufenthalt ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich z.B. ein Port oder ein zentraler Venenkatheter oder ein Blasenkatheter infiziert, nicht gering“, weiß Wolff aus eigener Erfahrung. Die Zeit ist hier der wichtigste Gegner. Je länger medizinisches Fachpersonal braucht, um die Sepsis zu diagnostizieren und den Erregerherd zu finden, desto schlechter steht es um die Letalität. Im Bereich der Flüssigkeitstherapie in adjuvanten und adjunktiven Methoden spricht Prof. Dr. Matthias Wolff sich gegen Kochsalzlösungen und für balancierte kristalloide Infusionslösungen aus. „Aus eigener Erfahrung kann ich von einem Patienten berichten, der 30 Liter kristalloide Lösung erhalten hat. Er hat überlebt.“

Dr. med. Martin Grapengeter fand schließlich die passenden Worte zum Abschluss des Themenabends: „Ich bin überzeugt, dass wir alle mit Hausaufgaben aus diesem Vortrag gehen werden und bin mir sicher, dass wir Sie alle heute Abend weiter für dieses wichtige Thema sensibilisieren konnten.“