Wenn Körper und Seele krank sind

An der Klinik am Hainberg in Bad Hersfeld gibt es ein psychiatrisches Angebot

Auch im Landkreis Hersfeld-Rotenburg steigt die Zahl der Menschen, die psychisch erkrankt sind und Hilfe benötigen. Die Corona-Pandemie mit ihren besonderen Herausforderungen, der Krieg in der Ukraine und die immer drängender werdenden Umweltprobleme sorgen für zusätzliche Ängste und Belastungen. Gleichzeitig ist das Angebot von niedergelassenen Psychiatern und Psychotherapeuten nicht gewachsen. Die Akutklinik für Psychosoziale Medizin und Psychotherapie am Standort Klinik am Hainberg steht jedoch auch Einheimischen zur Verfügung.

Diese Klinik, die neben der Psychosomatischen Rehabilitationsklinik selbstständig arbeitet, sei in der Bevölkerung noch relativ wenig bekannt, hat Chefärztin Dr. med. Kathrin Zittlau festgestellt. Die psychosomatische Akutklinik nimmt Patienten auf, die entweder einen Aufenthalt in der Psychiatrie hinter sich haben und noch weiterer Stabilisierung bedürfen, die stabil genug sind, nicht in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden zu müssen, aber nicht so stabil, dass sie eine ambulante Behandlung oder eine Rehabehandlung durchführen könnten, erläutert Zittlau. Je nachdem, wie es den Patienten geht, könnte sich an die akutklinische Behandlung noch ein Aufenthalt in der Tagesklinik, eine ambulante Therapie am Heimatort oder eine Reha anschließen.

In der Akutklinik für Psychosomatik leiden die meisten Patienten unter einem Mischbild aus körperlichen und seelischen Problemen. Bei einigen wurde die Psyche krank, weil sie körperlich schwer krank sind, bei anderen war zuerst das psychische Problem da, bevor dann körperliche Beschwerden dazu kamen, erklärt Dr. Kathrin Zittlau. Deshalb sei der Verbund mit dem Klinikum wichtig, wo die entsprechenden somatischen Fachärzte zur Verfügung stünden. Im Bedarfsfall könnten so Patienten unkompliziert den Indikationsbereich wechseln. Eine Absprache zwischen den behandelnden Ärzten verschiedener Fachrichtungen sei problemlos möglich.

Die Kliniken am Standort Hainberg gehören zum Klinikum Hersfeld-Rotenburg. Unterschiede gibt es jedoch bei der Finanzierung der Behandlung. Während die Patienten in die Akutklinik von ihren Hausärzten eingewiesen werden und die Kosten dann, wenn sie aufgenommen wurden, von den Krankenkassen getragen werden, ist für die Finanzierung des Aufenthalts in der Rehaklinik die Rentenversicherung zuständig. Ziel der Rehabilitation ist vor allem die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und die berufliche Leistungsfähigkeit wieder zu ermöglichen, damit die Patientinnen und Patienten anschließend in den Arbeitsmarkt wieder eingegliedert werden können. Jede Klinik verfügt über eine eigene ärztliche Klinikleitung, (fach-)ärztliche, therapeutische und Pflege-Teams, die vorhandenen Funktionsräume werden für die Patientenversorgung genutzt.

Die Klinik für Akutpsychosomatik bietet außerdem noch sieben tagesklinische Plätze. Hier nehmen die Patientinnen und Patienten tagsüber die verschiedenen Therapieangebote wahr, fahren aber abends wieder nach Hause. Diese „Tagesklinik“ war, ebenso wie die der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum, während der Corona-Pandemie geschlossen, soll bald aber wieder geöffnet werden.

Für Menschen mit einer schweren psychischen Erkrankung, die möglicherweise mit Selbst- oder Fremdgefährdung einhergeht, gibt es ein stationäres Angebot in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum.

Zur psychotherapeutischen und psychosomatischen Versorgung im Kreis gehört, neben den niedergelassenen Ärzten und Therapeuten, außerdem noch eine Zweigstelle des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) mit Sitz ebenfalls am Hainberg.

Seit dem Trägerwechsel vom Land Hessen zum Klinikum Bad Hersfeld hat sich die Gesamteinrichtung am Standort Klinik am Hainberg - Rehabilitationsklinik, akutpsychosomatische Klinik und psychotherapeutische Zweigstelle des MVZ Hersfeld-Rotenburg von einer ursprünglich überregional belegten Rehabilitationsfachklinik zu einem regional eingebundenen psychosomatisch-psychotherapeutischen Kompetenz-Zentrum weiterentwickelt. Diese Entwicklung wird gerade, so Dr. Zittlau, in gemeinsamen Gremien der Versorgungsanbieter weiter fortgesetzt.

Eigene Gefühle und Grenzen beachten

Als Elke Becker (Name von der Redaktion geändert) vor sieben Wochen nach Bad Hersfeld kam, ging es ihr richtig schlecht. Die 54-Jährige, die als Erzieherin in einer Kita in einem sozialen Brennpunkt einer Stadt in Niedersachsen arbeitet, fühlte sich erschöpft und kraftlos und konnte ihre Arbeit kaum noch bewältigen.

Für alle anderen Aktivitäten fehlte ihr die Kraft. Zudem plagte sie ein Tinnitus, ein dauerhaftes Ohrgeräusch. Elke Becker ist Patientin in der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, einer Akut-Psychosomatischen Klinik, die in den Räumen der Klinik am Hainberg untergebracht ist.

Inzwischen geht es Elke Becker deutlich besser. „Ich fühle, dass meine Kraft wiederkommt, und bin mit mir selber wieder in Kontakt gekommen“, sagt sie. In der Klinik habe sie sich gut aufgehoben gefühlt, berichtet Becker. „Jede Therapie war gut“, betont sie. Wichtig sei aber vor allem der eigene Wunsch, Hilfe anzunehmen und sich auf Therapieangebote einzulassen.

Besonders hilfreich empfand die Patientin die Atem- und die Achtsamkeitstherapie. Beides habe ihr geholfen, ein wenig Tempo rauszunehmen und sich auf ihren Körper und ihre Bedürfnisse zu konzentrieren. Auch die Kunst- und die Bewegungstherapie hätten ihr gutgetan. Zum Therapieangebot der Klinik gehören zudem Einzel- und Gruppengespräche mit Psychologen und verschiedene sportliche Aktivitäten. „Ich konnte aus jeder Therapie etwas für mich herausziehen“, betont Elke Becker. Sie habe sich von allen Therapeuten gut verstanden gefühlt und gelernt, ihre eigenen Gefühle und Grenzen zu beachten.

Wenn sie jetzt nach Hause kommt, ist die Therapie für Elke Becker noch nicht abgeschlossen. Während einer stufenweisen Wiedereingliederung will sie herausfinden, ob ihr Arbeitsplatz tatsächlich noch der richtige für sie ist oder ob sie sich lieber in eine Kita mit weniger fordernden Kindern und Eltern versetzen lassen möchte. Auch eine Arbeit in Teilzeit kann Becker sich vorstellen. Zudem will sie sich auch für ihr Tinnitus-Problem zuhause Hilfe suchen. Und sie will sich einen niedergelassenen Therapeuten beziehungsweise eine Therapeutin vor Ort suchen, um weiter an sich zu arbeiten und einer möglichen zukünftigen Überlastung nicht einfach ausgeliefert zu sein. Mit einbezogen in den Heilungsprozess hat Elke Becker ihren Partner und ihre Familie, mit denen sie immer wieder über ihre Erfahrungen und Erkenntnisse gesprochen hat. Der ganzheitliche psychosomatisch-psychotherapeutische Ansatz der Klinik sei darauf ausgerichtet, nicht nur Symptome zu behandeln, sondern den gesamten Lebenshintergrund eines Menschen mit allen umwelt- und personenbezogenen Faktoren zu erfassen, die für die Gesundheit des Betroffenen von Belang seien, erklärt die Chefärztin Dr. Kathrin Zittlau. Wenn nötig würden auch die Angehörigen in die Therapie miteingebunden. Ziel sei es, eine nachhaltige Veränderung zum Positiven zu erreichen.

Einen Schwerpunkt setzt die Klinik zudem bei der Behandlung älterer Menschen.

 

HINTERGRUND
Zahlen und Fakten

Die Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in den Räumen der Klinik am Hainberg ist im Jahr 2013 in Betrieb gegangen. Ursprünglich wurden ihr 15 voll- und fünf teilstationäre Behandlungsplätze zugewiesen. Aktuell sind es 38 stationäre und sieben teilstationäre Plätze (Tagesklinik). Die Psychosomatische Rehabilitationsklinik verfügt über 165 Plätze. Alle Patienten sind in Einzelzimmern untergebracht. Die mittlere stationäre Aufenthaltsdauer für beide psychosomatische Kliniken liegt bei fünf Wochen. Danach werden zur Nachsorge eine ambulante Therapie, der Besuch einer Selbsthilfegruppe oder andere Maßnahmen empfohlen.  zac

Kontakt: Dr. med. Kathrin Zittlau, Tel. 06621/173-271, Fax 06621/173-273, Mail: kathrin.zittlau@klinikum-hef.de.

Hier finden Sie den Bericht aus der Hersfelder-Zeitung vom 19.01.2023