Tumore in Mund, Rachen, Nase oder Schilddrüse

Eine frühe Behandlung erhöht die Chancen einer Heilung

Krebserkrankungen im Bereich von Kopf und Hals sind häufiger, als viele Menschen annehmen: Fünf Prozent der Tumoren betreffen diesen Bereich, doch zu oft werden sie erst in einem späten Stadium entdeckt. Vor der Kopf-Hals-Aktionswoche sprachen wir mit Dr. med. Torsten Köhler von der HNO-Klinik in Bad Hersfeld.

Herr Dr. Köhler, um welche Tumore geht es bei den Kopf-Hals-Tumoren?
TORSTEN KÖHLER: Wir sprechen hier unter anderem von Kehlkopfkrebs, Tumoren der Nase, der Nasennebenhöhlen, des Mundes und Rachens und der Schilddrüse.

Welches sind die Ursachen für diese Krebserkrankungen?
KÖHLER: An erster Stelle sind Tabak- und Alkoholkonsum zu nennen. Auch Teerstoffe, Lacke, Stäube von Hartholz, Asbest und Zement spielen eine Rolle. Wer beruflich belastet ist, zusätzlich raucht und ein paar Bier trinkt, bei dem potenziert sich die Gefahr. Ungünstig wirkt sich zudem eine schlechte Mundhygiene aus. Auch spezielle Humane Papillomaviren (HPV) können Tumoren verursachen.

Bei welchen Symptomen sollte man hellhörig werden?
KÖHLER: Anzeichen für eine Erkrankung können Halsschmerzen sein, die länger als drei Wochen anhalten, Schluckstörungen und Probleme beim Essen und Trinken, wenn immer wieder etwas in die Luftröhre rutscht. Heiserkeit, aber auch Blut im Speichel, Luftnot und bisweilen Ohrenschmerzen können ein Hinweis sein. Tumoren im tiefen Rachen werden leider oft spät erkannt. Beschwerden, die auf einen Kehlkopftumor hinweisen können, nehmen die Betroffenen häufig nicht entsprechend wahr, oder sie verdrängen das Problem. Es ist beeindruckend, dass manche erst zu uns kommen, wenn schon ein ausgedehnter Tumor etwa im Mundrachenbereich besteht.

Welche Altersgruppe ist vorwiegend betroffen?
KÖHLER: Die HPV-Tumoren treten meist bei jüngeren Patienten auf, die von Nikotin und Alkohol verursachten Tumoren treffen Männer und Frauen im Durchschnittsalter von 63/64 Jahren.

Welches ist der häufigste Tumor aus dieser Gruppe?
KÖHLER: Das ist das Kehlkopfkarzinom. Daran erkranken vor allem Männer, aber auch Frauen sind betroffen – im Verhältnis 3,5 zu 1. Dieser Tumor wird zu 95 Prozent durch Rauchen verursacht.

Wie stellen Sie die Diagnose?
KÖHLER: Wir befragen die Patienten, untersuchen sie und nehmen bei Auffälligkeiten eine Gewebeprobe. In entsprechenden Fällen machen wir eine Spiegelung, eine sogenannte Panendoskopie, in Vollnarkose von Rachen, Kehlkopf, Speise- und Luftröhre. Dabei stellen wir die Ausdehnung eines Tumors fest, nehmen Proben und schließen Zweittumoren aus. Liegt ein Tumor vor, werden Computertomographien und eine Skelettszintigraphie durchgeführt, um unter anderem Fernmetastasen aufzuspüren. Die sind aber relativ selten.

Welche Behandlungsschritte folgen nach der Diagnose?
KÖHLER: Optionen sind Operationen, die Bestrahlung, Chemotherapien oder Antiköpertherapien, teils auch kombiniert. Liegt zum Beispiel ein Mandelkarzinom mit Metastasen in den Hals-Lymphknoten ohne Fernmetastasen vor, wird die Mandel entfernt und der Hals danach bestrahlt. Manche Patienten lehnen eine OP ab, dann setzten wir eine Bestrahlung in Kombination mit einer Chemotherapie ein. Diese Therapie erfolgt bei den Kollegen der Strahlenklinik und der Onkologie. Bei sehr fortgeschrittenen Tumoren kann man versuchen, mit einer Antikörpertherapie die Lebensqualität zu verbessern.

Welche Heilungschancen haben die Betroffenen?
KÖHLER: Bei einer Behandlung im Frühstadium würden 80 bis 90 der Betroffenen überleben. Zwei von drei dieser Tumoren werden aber erst im Spätstadium diagnostiziert. Die Hälfte dieser Patienten lebt nicht länger als fünf Jahre. Es kommt zudem darauf an, wo der Tumor sitzt. Beim Kehlkopfkarzinom liegt die statistische Überlebensrate nach fünf Jahren bei 63 Prozent, beim tiefen Rachenkarzinom bei 26 Prozent. Tumoren, die von einer HPV-Infektion herrühren, sind meist kleiner, aggressiver und streuen eher in die Halslymphknoten, haben aber bessere Heilungschancen.

Wie kann man vorbeugen?
KÖHLER: Man sollte Nikotin meiden, das gilt auch für das Shisharauchen. Ganz ungünstig ist es, schon unter 20 mit dem Rauchen zu beginnen. Auch Alkohol sollte man meiden oder nur mäßig genießen. Bei den HPV-Infektionen steigt das Risiko, je früher der erste Geschlechtsverkehr stattfindet und bei häufigem Partnerwechsel. Die HPV-Impfung bei jungen Mädchen ist sehr zu empfehlen. Es gibt Überlegungen, auch Jungen zu impfen. Wichtig ist außerdem eine gute Mundhygiene

Zur Person

DR. TORSTEN KÖHLER (49) ist in Viersen (Nordrhein-Westfalen) aufgewachsen. Er hat in Lübeck studiert und in Ulm promoviert. Seine erste Station nach dem Studium war die Zentralklinik in Augsburg, danach war er bei Straubing tätig. Seit 2001 ist er im Klinikum Bad Hersfeld in der HNO-Klinik, seit 2006 als Oberarzt. Köhler lebt in Bad Hersfeld und hat zwei Kinder.

Hintergrund

Zum zweiten Mal findet von Montag bis Freitag, 21. bis 25. September, die Kopf-Hals-Aktionswoche (Awareness Week) der Europäischen Kopf-Hals-Gesellschaft (EHNS) statt. In ganz Europa informieren HNO-Ärzte in dieser Woche mit dem Ziel, die Bevölkerung für Krebserkrankungen des Kopf-Hals-Bereiches zu sensibilisieren.

 pdf Artikel aus der Hersfelder-Zeitung vom 16. September 2015