Schuld ist meist der Lebensstil

Viele Menschen wissen nicht, dass sie hohen Blutdruck haben und an der sogenannten Hypertonie erkrankt sind. Oft wird die Krankheit erst diagnostiziert, wenn es bereits Folgeschäden an den Organen gibt. Wir haben mit Dr. Biljana Vokic, Oberärztin in der Kardiologie des Herz-Kreislauf-Zentrums in Rotenburg, die wichtigsten Fragen rund um Bluthochdruck geklärt.

Welches sind die Ursachen für Bluthochdruck?
In 90 Prozent der Fälle ist Bluthochdruck die Folge der jeweiligen Lebensweise, nur in zehn Prozent gibt es eine organische Ursache. Hoher Blutdruck ist selten erblich bedingt, sagt Oberärztin Vokic.

Was können die Folgen sein, wenn Bluthochdruck unbemerkt bleibt?
Geschädigt werden in erster Linie die Organe: Herz, Gehirn, Nieren, Augen, Hauptschlagader. Als Folgen können dann Herzrhythmusstörungen, Herzschwäche und Herzinfarkt, Hirnblutung, Schlaganfall, Nierenschwäche oder eine Erweiterung der Hauptschlagader auftreten.

Welche typischen Warnhinweise gibt es?
Anzeichen für Bluthochdruck sind häufiger Schwindel und anhaltende Kopfschmerzen. Oft gibt es aber keine Vorwarnung. Der hohe Blutdruck wird dann bei Routineuntersuchungen, etwa beim Hausarzt, festgestellt. Normal ist ein Blutdruck bis 130/80. Danach folgt der hochnormale Blutdruck und ab einem Wert von 140/90 sprechen wir von Bluthochdruck.

Wie viele Menschen in Deutschland haben einen zu hohen Blutdruck?
Etwa 25 Millionen Deutsche leiden an Bluthochdruck. Hypertonie ist der Risikofaktor Nummer Eins für Herzkreislauferkrankungen. Diese wiederum sind Todesursache Nummer eins in Deutschland und Europa. Grob gelte die 50-Prozent-Regel, so Vokic: Nur die Hälfte aller Bluthochdruckpatienten wissen um ihre Erkrankung, davon wiederum wird die Hälfte behandelt, und von den Behandelten erreichen wiederum nur die Hälfte den Zielwert. Studien haben zudem gezeigt, dass nach drei Jahren nur noch 50 Prozent der Betroffenen ihre Medikamente regelmäßig einnehmen, sagt Biljana Vokic.

Wer gehört zur Risikogruppe für Bluthochdruck?
Ab dem 40. Lebensjahr liegt die Wahrscheinlichkeit, an Bluthochdruck zu leiden, bei 90 Prozent. Zu wenig Bewegung, Übergewicht, falsche Ernährung, Rauchen und Alkoholkonsum begünstigen die Krankheit. Auch psycho-soziale Faktoren spielen eine Rolle. Dazu zählen: Stress in Beruf und Familie, fehlende soziale Anerkennung, Depressionen, Isolation und Angst.

Wie kann Bluthochdruck bekämpft werden?
Um ihn in den Griff zu bekommen, sind laut Oberärztin Vokic Selbstbeherrschung und Eigeninitiative gefragt. Vor dem Griff zu Medikamenten wird zunächst geprüft, ob die Betroffenen nicht ihre Lebensweise ändern können. Mit einer konsequenten Ernährungsumstellung lässt sich der Blutdruck auch ohne Medikamente senken. Auf dem Speiseplan sollten vor allem Obst, Gemüse und Vollkornprodukte stehen. Bei gesättigten Fettsäuren, Fleisch, Salz und süßen Industrieprodukten hingegen ist weniger mehr. Viel Bewegung wirkt sich ebenfalls positiv auf den Blutdruck aus. Vor allem Ausdauersport hilft – Schwimmen, Fahrradfahren und Nordic-Walking. Kraftsport ist dagegen kontraproduktiv. Auch psychologische Unterstützung kann hilfreich sein, häufig kann der Blutdruck aber nur mit Medikamenten ausreichend gut eingestellt werden.

Was ist, wenn sich der Blutdruck trotzdem nicht senken lässt?
In der Regel lässt sich der Blutdruck mit Medikamenten ausreichend senken. In seltenen Einzelfällen kann mit einem kleinen sogenannten minimal-invasiven Eingriff geholfen werden. Dabei werden sogenannte Stressnerven an den Nierengefäßen gezielt verödet (renale Denervation).

So wird der Blutdruck richtig gemessen

Gemessen werden zwei Werte: den höchsten (systolischen) wenn sich das Herz anspannt und den geringsten (diastolischen) Druck des Blutes in den Arterien. Das Wichtigste vor dem Messen ist Ruhe. Also erst einmal fünf Minuten hinsetzen – ohne jegliche Ablenkung oder Aufregung – sonst wird das Ergebnis verfälscht. „Keiner fordert Aufmerksamkeit, keiner redet und keiner hat ein Handy in der Hand“, erklärt Dr. Biljana Vokic, Oberärztin für Kardiologie am HKZ in Rotenburg. Dann wird das Blutdruckmessgerät am Oberarm angelegt. Dreimal muss gemessen werden – immer im Abstand von etwa einer Minute. „Die erste Messung wird verworfen“, sagt Vokic. Der Mittelwert aus den anderen beiden Messungen sei der korrekt gemessene Blutdruck. Wer möchte, kann seinen Blutdruck mit einem speziellen Gerät auch am Handgelenk messen. Allerdings seien die Messwerte dort ungenauer. Wer kein eigenes Messgerät hat, kann sich den Blutdruck auch beim Arzt oder in der Apotheke messen lassen. Besteht der Verdacht eines erhöhten Blutdrucks, kann dieser über 24-Stunden hinweg regelmäßig kontrolliert werden. Dabei wird der Blutdruck am Oberarm mit einer Manschette gemessen. Diese ist mit einem kleinen Rekorder verbunden, der die Werte registriert und speichert. Der Patient sollte während der Langzeitmessung seinem ganz normalen Tagesablauf nachgehen und über seine Tätigkeiten Protokoll führen. So kann der Arzt nachvollziehen, was zu den erhöhten Werten führt.  www.hochdruckliga.de (ciz)

Zur Person

DR. BILJANA VOKIC arbeitet seit 2001 am Herz-Kreislauf-Zentrum in Rotenburg. Die 48-Jährige ist dort Oberärztin in der Kardiologie. Sie wurde in Jugoslawien geboren und wuchs in Stuttgart auf. In Heidelberg studierte sie Medizin. Schon in den ersten Semestern fesselten sie der Aufbau und die Funktion des Herzens. „Seine Komplexität faszinierte mich“, sagt Vokic. So war es für sie ganz selbstverständlich, ihre Doktorarbeit über ihr Lieblingsorgan zu schreiben. Vokic wohnt in Rotenburg. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder im Alter von 11 und 13 Jahren. (Foto:Christina Zapf)

Hier finden Sie den Bericht aus der Hersfelder-Zeitung vom 15.08.2018