Rote Bete, frische Luft und Sport in Maßen

Der Chefarzt der Kardiologie am Herz-Kreislauf-Zentrum Rotenburg, Dr. med. Klaus Edel, schwört auf Rote Bete. Vor dem Eingang des Krankenhauses wirbt er für dieses gesunde Essen, welches den Long-Covid-Patienten angeboten wird. Er präferiert übrigens die Schreibweise des Gemüses mit Doppel-e, wie auf dem Plakat ersichtlich. Foto,Text: thomas klemm_HZ v. 1.9.23

Rotenburg – Gesunde Ernährung hilft, aber insbesondere Rote Bete tut Gutes. Dazu ausreichend Bewegung, genügend Schlaf und ein stabilisiertes Immunsystem. Das sind laut Dr. med. Klaus Edel die besten Waffen, um nach einer Long- oder Post-Covid-Erkrankung wieder auf die Beine zu kommen.
Insbesondere die Sauerstoffaufnahmefähigkeit der Muskulatur und die Optimierung der roten Blutkörperchen als Transporteur des Sauerstoffs seien wichtig während des Genesungsprozesses der Betroffenen, der unterschiedlich lang andauert. „Um das zu erreichen, gibt es verschiedene Möglichkeiten“, sagt der Chefarzt der Klinik für kardiologische Rehabilitation und Prävention am Herz-Kreislauf-Zentrum (HKZ) in Rotenburg. „Wir bieten während der Reha im HKZ den Patientinnen und Patienten eine Rote-Bete-Woche mit verschiedenen Zubereitungen dieses Gemüses an jedem Tag der Woche an. Der Verzehr von Roter Bete wirkt entzündungshemmend, blutbildend, fördert die Sauerstoffaufnahme in die Muskulatur über die dort vorhandenen zellulären Kraftwerke und steigert damit sowohl die kognitive als auch die physische Leistung“, wirbt der Experte für Long-Covid-Erkrankung für dieses Gemüse.

Mittel der Wahl
Diese Werbung für heimisches Gemüse macht er nicht nur in seinen Vorträgen, sondern auch in den Sprechstunden und bei der Betreuung seiner Patienten.

Die Selbstheilungstendenz bei Post- oder Long-Covid-Erkrankungen ist sehr hoch, weiß er. Zu den Mitteln der Wahl zählt Dr. Edel das Inhalieren von heißem Salzwasserdämpfen oder japanischem Heilpflanzenöl, „wenn möglich, auch mal ein Aufenthalt an der Ost- oder Nordsee, der frischen Brise wegen“, die die körpereigenen Abwehrkräfte mobilisiert, aber auch sportliche Aktivitäten. Diese sollten allerdings sehr in Maßen in Angriff genommen werden. „Faustregel ist die Erhöhung des Ruhepulses, um zunächst lediglich zehn Prozent bei Vorliegen eines Post-Long-Covid-Syndroms. Mehr nicht, denn sonst droht ein Rückfall, der sogenannte Crush.“ Die Abwehrlage des Körpers müsse durch Bewegung auf niedrigstem Niveau wieder ins Gleichgewicht gebracht werden.

Die medikamentöse Behandlung dieses Krankheitsbildes funktioniere nicht. „Es gibt keine medizinischen Heilmittel, um Corona im Nachhinein zu bekämpfen“, sagt Dr. Edel. „Bislang gibt es keine evidenzbasierten Therapien bei Long Covid“, betonte er während eines Vortrages vor wenigen Tagen im HKZ. „Deshalb entscheiden sich Ärzte, Medikamente off label einzusetzen.“ Off label bedeutet, wörtlich „andere Verwendung als auf dem Etikett“ und sinngemäß „nicht bestimmungsgemäßer Gebrauch“. Gemeint ist damit, dass ein Arzneimittel gegen eine Krankheit eingesetzt wird, für die es von den Zulassungsbehörden keine Genehmigung hat.

Niedrig dosiertes Naltrexon, eigentlich zur Therapie von Suchterkrankungen entwickelt, ist diesbezüglich im Gespräch, während die Anwendung des bekannten Antidiabetikums Metformin sowie von Paxlovid den Studien zufolge bei Post-Long-Covid nichts bringe und deshalb nicht empfohlen werden kann. „Metformin hat man als Gegenmittel bei Covid getestet, aber für die Anwendung bei Post- oder Long-Covid gibt es keine Studiendaten.“

Symptome erkennen
Wer den Verdacht habe, nach einer überstandenen Corona-Erkrankung an Long- beziehungsweise Post-Covid zu leiden, könne sich selbstverständlich beim Hausarzt untersuchen lassen. Aber auch der Selbsttest in den eigenen vier Wänden könne sich als nützlich erweisen. Da biete sich beispielsweise die Überprüfung des Sauerstoffgehaltes und Ruhepulses mittels eines Messgerätes an, welches man einfach an den Zeigefinger klemmen könne. „So ein Gerät kostet nicht die Welt. Man sollte es im Haushalt haben“, so Dr. Edel.

Nach einem Fitness-Test, beispielsweise indem man etwa 50 Treppen steigt, erhalte man Aufschluss über seinen Gesundheitszustand. Kann man den Puls nicht relativ schnell wieder herunterregulieren oder sinke der Sauerstoffgehalt gegenüber dem Wert vor dem Fitness-Test, sei es Zeit zum Handeln. Weitere Indikatoren sind etwa Herzklopfen oder unregelmäßige Herzschläge, Schmerzen in der Brust, unruhiger beziehungsweise fehlender Schlaf, Müdigkeit und Erschöpfung, Kurzatmigkeit, aber auch Kopfschmerzen, Schwindel, fehlender Geruchs- und Geschmackssinn, Konzentrations- und Gedächtnisprobleme bis hin zu depressiven Verstimmungen und gerötete oder geschwollene Gelenke.

Anamnesebogen
Ein gutes „Stimmungsbild“ ergebe sich, wenn Betroffene einen Anamnesebogen ausfüllen, den man auf der HKZ-Webseite unter der Abteilung für Rehabilitation bei Patienteninformationen abrufen könne. „Wenn in dem Fragebogen die meisten Fragen mit Ja beantwortet werden, ist die Sache für mich klar. Dann sollte man seinen Arzt aufsuchen oder zu uns in die Sprechstunde kommen“, so der ärztliche Direktor des Herz-Kreislauf-Zentrums. Allerdings seien seine regelmäßigen Sprechstunden „schon bis Januar ausgebucht“. Ähnlich sieht es in den Post-Long-Covid-Ambulanzen in den Universitätskliniken Frankfurt beziehungsweise Marburg aus.

Neue Variante
Inzwischen macht eine neue Omikron-Variante weltweit die Runde. Ihr Name: EG.5.1. Eris (Göttin der Zwietracht). In mehr als fünfzig Ländern der Erde ist EG.5.1. bereits nachgewiesen worden. Die Weltgesundheitsorganisation WHO listet diese als „Variante von Interesse“, noch nicht jedoch als „besorgniserregende Variante“, heißt es. So, wie es aussieht, bringe sie wohl lediglich leichte Krankheitsverläufe mit sich.

„Im Herbst kommt die nächste Welle“, so Dr. Edel. Ein Mittel dagegen: Wer Husten oder Schnupfen hat, sollte wieder zum Mund-Nasen-Schutz greifen – vor allem, um die Menschen in der unmittelbaren Umgebung nicht zu gefährden.
Auch, wenn nicht schon klar ist, ob es sich um Eris oder um eine „normale“ herbstliche Erkältung handelt. Wer aus Nordamerika oder von Mallorca aus dem Urlaub zurückkehrt, habe im Übrigen jetzt schon die „große Chance“, die neue Corona-Virus-Variante im Gepäck zu haben. Dann doch lieber ein Urlaub an der Ostsee- oder Nordseeküste, so der Experte.