„Medizin ist nicht schwarz und weiß“

Hersfeld-Rotenburg – Privatdozent Dr. Mahmoud Diab hat im vergangenen Sommer die Chefarztposition der Herzchirurgie am Herz-Kreislaufzentrum (HKZ) in Rotenburg übernommen und trat damit die Nachfolge von Prof. Dr. Ardawan Rastan an. Wir sprachen im Interview mit dem Herzchirurgen über dessen Werdegang, seinen Wechsel vom Universitätsklinikum Jena ans HKZ und über Herausforderungen im medizinischen Bereich.

Herr Diab, wann wussten Sie, dass Sie Arzt werden wollen?
Das begann schon sehr früh. Bereits in der Grundschule hatte ich den Wunsch, später Arzt zu werden, obwohl ich aus keiner Arzt-Familie komme. Mein Vater und mein Bruder sind Ingenieure. Mich hat besonders die Vorstellung fasziniert, was man als Arzt bewirken kann: nämlich Menschen zu helfen und zu heilen.

Wo haben Sie studiert und ihre Facharztausbildung absolviert?
Ich habe in Kairo studiert und dort sieben Jahre lang gearbeitet. Dabei habe ich meinen Medical Doctor erworben. Das dauert etwa fünf bis sieben Jahre und ist mit vielen theoretischen und praktischen Prüfungen verbunden, ähnlich wie die Facharztausbildung in Deutschland. Meine Facharztausbildung zum Herzchirurgen und meine Habilitation habe ich dann anschließend an der Universität Jena absolviert.

Warum haben Sie sich ausgerechnet für den Bereich der Herzchirurgie entschieden?
Chirurgie im Allgemeinen hat mich schon immer interessiert. Ich habe dann verschiedene Fachbereiche ausprobiert, etwa plastische Chirurgie, das war aber nicht mein Ding. Ich hatte letztlich die Wahl zwischen Neurochirurgie und Herzchirurgie. Als ich in der Herzchirurgie hospitiert habe, habe ich schnell festgestellt, wie die Befehle abgegeben und wiederholt werden und wie die Kommunikation mit dem Team läuft. Das war alles klar organisiert, ähnlich wie beim Militär. Dadurch hatte ich das Gefühl, hier etwas Richtiges, Handfestes zu tun.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag als Herzchirurg aus?
Ich bin Frühaufsteher und meist schon eine Stunde vor Dienstbeginn im HKZ. Ich erledige dann Schreibkram, der am Vortag liegen geblieben ist, lese und beantworte E-Mails. Anschließend folgt die Visite auf Station. Später geht es in den OP, wo wir etwa vier bis sechs Patienten pro Tag operieren. Dann gibt es noch verschiedene Besprechungen und einen Austausch mit den Kollegen.

Wie gehen Sie mit der Verantwortung und dem hohen Risiko um? Fehler könnten im schlimmsten Fall ja zum Tod des Patienten führen...
Das ist sehr schwierig, gerade zu Beginn. Meine älteren Kollegen sagten immer, dass das mit der Zeit besser werde. Aber es fällt auch später noch schwer, zu akzeptieren, dass Fehler passieren können. Das Problem ist dabei, dass es meist keine klaren Fehler gibt. Man sagt nicht, das war ein Fehler, sondern fragt sich eher, ob die Behandlung richtig oder falsch war. Habe ich die richtige Entscheidung für den Patienten getroffen? Das fragt man sich immer und immer wieder. Die Medizin ist nicht schwarz und weiß. Häufig gibt es Grauzonen und manchmal entscheidet man sich für eine Operation, der Patient überlebt und man hat das Gefühl, das Richtige getan zu haben. Manchmal entscheidet man sich für eine Operation und der Patient überlebt nicht. Ohne die Operation hätte er aber auch keine Chance gehabt. Da stellt sich dann im Nachhinein die Frage, hätten wir ihn operieren sollen oder nicht?

Wie kam es zu Ihrem Wechsel ans HKZ?
Nach vielen Jahren am Universitätsklinikum in Jena habe ich nach neuen Herausforderungen gesucht. Ich war dort als Geschäftsführender Oberarzt der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie zwar auch bereits in einer Führungsposition, aber man hat immer noch einen weiteren Vorgesetzten. Ich wollte schon immer meinen eigenen Führungsstil entwickeln, meine Ideen verwirklichen und durchsetzen. Deshalb hat mich die Stelle hier sehr angesprochen. Ich finde auch die Region sehr schön und wir haben uns als Familie schneller eingelebt, als gedacht. Man kann hier viel unternehmen, es ist schön ruhig und wir genießen es, nicht in einer riesigen Stadt zu leben.

Was schätzen Sie an Ihrer Stelle?
Vor allem den guten Ruf des Hauses. Das HKZ war schon damals eine der ersten Kliniken, die total-arterielle-Revaskularisierung angeboten hat, also die Wiederherstellung der Durchblutung des Herzmuskels durch Anlage von Bypässen nur mit Arterien als Bypassmaterial. Das ist bis heute so geblieben. Das erfordert hohe Präzision und Funktionalität und bietet den Patienten eine längere Lebensdauer oder eine bessere Lebensqualität. Das Team hier kennt diese Arbeitstechnik sehr gut, ich musste ihnen nicht zeigen, wie wir das machen. Mit meiner Erfahrung und neuen Techniken, die ich mitgebracht habe, war das eine super Verstärkung. Wir können fast alle Operationen minimalinvasiv operieren, also ohne den Brustkorb zu öffnen. Das geht natürlich nicht bei jedem Patienten, sondern es gibt Selektionskriterien für jede Technik und wenn der Patient dafür gesundheitlich geeignet ist, können wir damit beste Qualität anbieten.

Was zeichnet das HKZ aus Ihrer Sicht aus?
Wir sind hier hoch spezialisiert. Uns zeichnet die Kombination aus exzellenter Kardiologie, Hand in Hand mit der Herzchirurgie aus. Hier arbeiten mehrere verschiedene Professionen an einem Patienten mit der besten Maßnahme für seine Gesundung. Hinzu kommt eine kardiologische Reha. So sehe ich Patienten nicht vier oder fünf Tage, sondern kann sie über mehrere Wochen begleiten.

Wie gehen Sie mit der Angst der Patienten vor einer Operation um?
Es gibt die normale Angst, die jeder Mensch vor einem solchen Eingriff hat. Die meisten Ängste entstehen aber durch einen Mangel an Informationen. Wenn der Patient aufgeklärt ist und die Notwendigkeit der Operation versteht, dass sein Leiden gelindert wird, kann das den Patienten motivieren.

Sie sind auch Privatdozent. Wollen Sie Ihre Forschungstätigkeit aufrecht erhalten?
Bis jetzt konnte ich meine Forschungstätigkeit immer gut mit meinem Job vereinbaren. Das funktioniert, ich habe auch während meiner Zeit hier in Rotenburg bereits Arbeiten publizieren können. Die Letzte ist kürzlich in einem renommierten Journal erschienen.

ZUR PERSON
Mahmoud Diab (49) hat an der Medizinischen Hochschule in Kairo studiert und seinen Facharzt für Herzchirurgie sowie seine Habilitation an der Uni Jena absolviert. Über Stationen in Bad Berka und Jena – zuletzt als Geschäftsführender Oberarzt der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie am Uniklinikum Jena - führte es ihn im Juli 2023 nach Bad Hersfeld. Diab ist verheiratet und lebt mit seiner Frau und den beiden Kindern in Bad Hersfeld. (Foto,Text: Daniel Göbel)

 

Hier finden Sie den Artikel aus der Hersfelder-Zeitung vom 04.03.2024