Krankmachend, aber kein Killervirus

Die Sorge vor dem Coronavirus grassiert zunehmend auch im Landkreis Hersfeld-Rotenburg:
Hinter vorgehaltener Hand sprechen Mediziner schon von einem „sozialen Ausnahmezustand“. Landrat Dr. Michael Koch warnt deshalb vor Panik: „Ich rate uns allen, mit der derzeitigen Situation unaufgeregter umzugehen. Zugleich begrüße ich, dass die Kassenärztliche Vereinigung ihrer Verantwortung gerecht werden will und ein flächendeckendes medizinisches Angebot aufbauen wird“, sagt er mit Blick auf die neu eingerichteten Corona-Testzentren. Bei Bedarf müsse es die notwendige Anzahl an Untersuchungszentren im Landkreis und ganz Nordhessen geben, erklärt Koch.

Im Rotenburger Kreiskrankenhaus nimmt die Angst vor Covid-19 indes groteske Züge an: Unbekannte hätten Desinfektionsmittel aus den Besuchertoiletten gestohlen, berichtet Dr. Martin Oechsner, medizinischer Geschäftsführer des 183-Betten-Krankenhauses. Auch Schutzkleidung aus Patientenzimmern sei verschwunden. „Wir haben aber noch ausreichend OP-Kleidung, OP-Mundschutz und Sterilium vorrätig“, sagt Oechsner. Abgesehen von den Diebstählen sei die Lage am Kreiskrankenhaus entspannt. „Wir sind zu 70 Prozent belegt, das ist zu dieser Jahreszeit das ganz normale Spektrum.“ Der Pandemieplan werde laufend nach den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts aktualisiert. Der Kontakt zum Gesundheitsamt sei eng.

Auch das Klinikum Hersfeld- Rotenburg spürt die Auswirkungen der Corona-Krise und hat einen Drei-Stufen-Plan erarbeitet. Ab sofort müssen sich Patienten mit Corona-Verdacht vor dem Hauseingang melden und werden dann dort in Empfang genommen, berichtet Klinikumssprecher Werner Hampe. Die Versorgungslage mit Masken der Schutzklasse 2 sei auch im Klinikum wie überall in Deutschland nicht gut.

Die Versorgung mit Mund- und Nasenschutz etwa für Personal im OP sei aber aktuell gesichert. Desinfektionsmittel selbst herstellen Die Lieferengpässe bei Desinfektionsmitteln seien ein deutschlandweites Problem. „Wir hatten unseren Mitarbeiterverkauf von Händedesinfektionsmitteln schon vor drei Wochen gestoppt“, so Hampe. „Unsere Klinikapotheke wird Händedesinfektionsmittel nach dem Standard der Weltgesundheitsorganisation WHO ab der kommenden Woche selbst produzieren, um nicht geplante Versorgungsspitzen abzupuffern.“ Die Vorräte an Medikamenten seien aktuell für vier bis sechs Wochen je nach Medikament vorhanden.

Für Anfang der kommenden Woche ist ein Treffen von Vertretern des Rotenburger Kreiskrankenhauses und des Klinikums Hersfeld-Rotenburg geplant. Ziel des Zusammentreffens ist der Austausch im Umgang mit dem Coronavirus. Derweil warnen niedergelassene Ärzte wie Dr. Frank Klein aus Schenklengsfeld vor der „medialen Corona-Hysterie“. Es gebe zu viele verwirrende Aussagen und viel Inkompetenz auf offizieller Seite, kritisiert Dr. Klein. Auch er moniert fehlende Schutzkleidung. „Ich könnte in meiner Praxis auch gar keine Abstriche für Corona-Tests machen, denn ich verfüge nicht über das dafür nötige medizinische Material“, sagt er. Einig ist er sich mit seinem Kollegen Dr. Martin Ebel aus Bad Hersfeld, dass derzeit zu viel Corona-Verantwortung bei den Hausärzten abgeladen werde. Er begrüßt ausdrücklich den Vorstoß der Bad Hersfelder CDU, ein Corona-Testzentrum auch im Landkreis einzurichten. Bislang seien diese nur in größeren Städten geplant. „Wir auf dem Land werden dabei abgehängt“, kritisiert Klein. Martin Ebel beruhigt unterdessen und sagt, „das Coronavirus ist zwar sehr ansteckend, aber nicht sehr krankmachend und schon gar kein Killervirus.“

Corona: Das rät das Klinikum zur Vorbeugung

Wie kann ich mich schützen?
In die Armbeuge husten oder niesen, Einmaltaschentücher verwenden, Händeschütteln vermeiden,  gründliches und regelmäßiges Händewaschen (20 Sekunden), nicht mit den Händen die Nasen-, Mund-  und Augenschleimhaut berühren (zum Beispiel nach Festhalten an Griffen in Bussen oder Benutzen von  Türgriffen, die von vielen angefasst werden), Smartphone, Handy, Tablet, regelmäßig desinfizieren, eigene Gläser und Besteck benutzen, Menschenansammlungen meiden.
Wann besteht ein begründeter Corona-Verdacht?
Ein Verdacht trifft zu, wenn man in den vergangenen 14 Tagen aus einer Region mit Corona-Fällen eingereist ist wie z.B. Norditalien, Iran, Südkorea, China oder sich in einer Region in Deutschland mit Corona-Fällen aufgehalten hat oder Kontakt mit einem nachweislich bestätigten Corona-Fall hatte und Fieber hat und ein grippeähnliches Krankheitsgefühl verspürt.

Denkbare Testzentren für das Coronavirus:
Die Bad Hersfelder CDU schlägt die ehemalige Stadtkasse neben dem Rathaus oder das frühere Technische Rathaus an der Landecker Straße vor.

Hier finden Sie den Artikel aus der Hersfelder-Zeitung vom 12.03.2020