Krampfadern am Darmausgang

Unangenehm in doppelter Hinsicht: Hämorrhoiden sind eine Volkskrankheit, über die kaum jemand spricht

Von Jucken bis Schmerzen selbst beim Sitzen: Hämorrhoiden können je nach Ausprägung äußerst unangenehm sein. Gesprochen wird über die tabuisierte Volkskrankheit jedoch selten, denn auch das ist vielen Betroffenen unangenehm und vor allem peinlich. Wir haben mit Dr. Armin Brüggemann über das Thema gesprochen, Oberarzt der Abteilung für Allgemein-, Viszeral- und minimal-invasive Chirurgie am Klinikum Bad Hersfeld und Leiter der Proktologie. Erkrankungen des Enddarms und Afters sind somit sein Spezialgebiet.

Was sind Hämorrhoiden eigentlich?
Hämorrhoiden – auch: Hämorriden – sind laut Dr. Armin Brüggemann eigentlich eine Kleinigkeit, über die allerdings nur ungern und selten gesprochen wird, und die je nach Ausprägung auch sehr schmerzhaft sein kann. Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich um Krampfadern am Darmausgang. Dort dient das sogenannte Hämorrhoidal-Geflecht, eine Art Polster, das wie ein Schwellkörper funktioniert, zur Abdichtung. Erweitern sich die Blutgefäße und „leiern aus“, kann es zu knotenartigen Vergrößerungen kommen. Dann ist von vergrößerten Hämorrhoiden die Rede.

Welche Ursachen haben sie?
Laut Brüggemann gibt es viele mögliche Ursachen für die tabuisierte Erkrankung nahe des Darmausgangs, mitunter lasse sich das Phänomen aber auch gar nicht erklären. Beispielsweise kann zu starkes Pressen beim Stuhlgang die entsprechenden Gefäße schädigen. Im Alter treten Hämorrhoiden häufiger auf als in jungen Jahren, Brüggemann behandelt aber immer wieder auch jüngere Patienten. So seien einige Frauen etwa während oder nach einer Schwangerschaft betroffen, da der Blutfluss aufgrund der Lage des ungeborenen Babys gestört sei. Generell seien Männer jedoch etwas häufiger betroffen als Frauen, was allerdings auch daran liegen könne, dass sich Frauen noch mehr genierten, mit einem solchen Problem zum Arzt zu gehen, meint Dr. Armin Brüggemann. Humbug sei jedenfalls der verbreitete Irrglaube, dass das lange Sitzen auf kalten Steinen zu Hämorrhoiden führe.

Welche Symptome treten auf?
Bemerkbar machen sich vergrößerte Hämorrhoiden anfangs meist durch Jucken und/oder Feuchtigkeit am After sowie Schmerzen beim Stuhlgang und/oder Blut auf dem Toilettenpapier. Im fortgeschrittenen Stadium können Betroffene kaum noch sitzen. Wer den Verdacht hat, unter Hämorrhoiden zu leiden, sollte nicht zögern, einen Arzt aufzusuchen, denn je eher das Problem behandelt wird, desto besser. Zudem können die Symptome auch auf andere Erkrankungen, etwa einen Tumor, hinweisen. Erster Ansprechpartner ist in der Regel der Hausarzt, der bei Bedarf zu einem Facharzt weiterleitet.

Welche unterschiedlichen Stadien gibt es?
Unterschieden werden vier Stadien. Im ersten Stadium sind die Hämorrhoiden nur bei einer Spiegelung zu sehen. Im zweiten kommen sie beim Toilettengang heraus, ziehen sich aber von allein wieder zurück. Das ist beim dritten Stadium nicht mehr der Fall. In Stadium vier hat sich bereits ein dickes Polster am  Darmausgang gebildet. Diese Entwicklung geschieht über Jahre. Es kann aber auch sein, dass jemand Hämorrhoiden hat, ohne dass sich diese bemerkbar machen oder Beschwerden auftreten.

Wie erkennt der Arzt Hämorrhoiden?
Im späten Stadium sind sie mit bloßem Auge von außen sichtbar, im Extremfall sehen die Hämorrhoiden gar wie ein roter Blumenkohl aus. Um innen liegende Hämorrhoiden zu diagnostizieren, ist eine Enddarmspiegelung (Proktoskopie) notwendig. Diese kann ohne Vorbereitung ambulant vorgenommen werden und dauert nur wenige Minuten. Armin Brüggemann empfiehlt außerdem eine Rektoskopie (Mastdarmspiegelung), denn mit dem Rektoskop kann der Arzt weiter in den Darm vordringen und so etwa auch Tumore erkennen. „Die Untersuchung ist unangenehm, tut aber nicht weh“, versichert der Experte. Für die Rektoskopie muss der Patient eine Stunde vorher ein Abführmittel einnehmen, um den Darm zu leeren und zu reinigen.

Wie werden Hämorrhoiden behandelt?
Es gibt Zäpfchen und Salben, die bei Hämorrhoiden im Anfangsstadium helfen sollen, wobei Salben eben nur äußerlich wirken und nicht an Ort und Stelle, wie Brüggemann betont. In schwerwiegenderen Fällen sei eine Operation ratsam, denn anders lässt sich das Schmerzen verursachende Gewebe nicht beseitigen. Es gibt verschiedene Operationsmethoden, zum Beispiel die Sklerosierung (Verödung) und die Gummibandligatur, bei der das störende Gewebe abgebunden wird, sodass es abstirbt. Brüggemann favorisiert die Hämorrhoidal-Arterien-Ligatur und Mukopexie nach der THD-Methode, ein „sauberes“  Verfahren, wie er sagt, das zudem keine Wunden und Schmerzen verursache. Dabei wird die Schlagader mittels Ultraschall-Doppler aufgesucht. Durch eine spezielle Nahttechnik wird das herausgerutschte Gewebe wieder an die eigentliche Position zurückgebracht und die Schlagader verschlossen. Am Klinikum ist diese Methode seit Herbst 2017 möglich, etwa 50 solcher Operationen hat der Chirurg seitdem dort vorgenommen. Die Kosten übernimmt die Krankenkasse.

Hintergrund

Vortrag bei der Vital-Messe in Bad Hersfeld
Wer sich über das Thema Hämorrhoiden informieren möchte, hat dazu auch bei der nächsten Vitalmesse in der Bad Hersfelder Schilde-Halle die Gelegenheit. Dort wird Dr. Armin Brüggemann am Sonntag, 9. September, um 15.30 Uhr einen 15-minütigen Vortrag halten.

Außerdem wird das Thema beim Tag der offenen Tür im Klinikum rund um das Motto Schmerz am Samstag, 27. Oktober, präsent sein. (nm)

Zur Person
DR. ARMIN BRÜGGEMANN (61) ist in Holzminden an der Oberweser aufgewachsen. Nach dem Medizin-Studium in Göttingen, arbeitete er zunächst elf Jahre lang am dortigen Uni-Klinikum, bevor es ihn nach Kassel verschlug, wo er unter anderem als Leiter der Chirurgie am Elisabethkrankenhaus tätig war. Seit März 2016 ist Brüggemann am Klinikum in Bad Hersfeld für den Bereich Proktologie zuständig. Er lebt in Kassel und Bad Hersfeld, ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder. Seine Frau ist ebenfalls Ärztin, seine Kinder studieren Medizin. Brüggemanns große Leidenschaft neben der Arbeit ist das Fotografieren. (nm)

Bericht aus der Hersfelder Zeitung vom 01.08.2018