Klinik-Neubau liegt im Plan

Das Klinikum Bad Hersfeld rechnet im laufenden Jahr mit einem Defizit von rund 19 Millionen Euro. Trotzdem gehen die beiden Geschäftsführer Rolf Weigel und Sascha Sandow nicht davon aus, dass der kommunale Klinikkonzern in absehbarer Zeit keine weitere Finanzspritze des Kreises benötigt.

Ende 2022 hatte der Kreis seinem Klinikum 30 Millionen zur Verfügung gestellt. "Das hat uns durch das komplette Jahr 2023 getragen und wird uns auch noch weit bis ins Jahr 2024 helfen“, sagte Weigel in einem Interview mit unserer Zeitung.

Das Klinikum arbeite – wie alle Krankenhäuser in Hessen – nach wie vor defizitär. Dies resultiere vor allem aus der „Mehrstandort-Politik der Vergangenheit, die einfach nicht tragfähig ist“, so Weigel. Als Unternehmensverbund könne das Klinikum „aus eigener Kraft in dieser Struktur wirtschaftlich nicht überleben“. Dank der Unterstützung könne die Gesundheitsversorgung aber wie gewohnt aufrechterhalten werden und es seien auch noch finanzielle Reserven da, die bis weit ins Jahr 2024 reichen sollen, sagte Weigel.

Unterdessen haben am Klinikum die Arbeiten für den Neubau begonnen, in dem unter anderem das Herz- und Kreislaufzentrum (HKZ) untergebracht werden soll, um so an einem Standort wirtschaftlicher arbeiten zu können. Der für den Neubau zuständige kaufmännische Direktor Sascha Sandow geht davon aus, dass Ende März die Erdarbeiten starten und im September der Bau des Gebäudes beginnt.

„Wir können derzeit alle Fristen halten und gehen da- von aus, dass die Gebäude- übergabe wie geplant Ende 2026 erfolgen kann.“ Auch der Kostenrahmen von 190 Millionen Euro werde nach derzeitigem Stand der Auftragsvergabe gehalten werden können, sagen die Klinik-Geschäftsführer.

Gute Aussichten für HKZ-Immobilie

In den Räumlichkeiten des HKZ wird das Rotenburger Studienzentrum der Finanzverwaltung seine Aktivitäten ausweiten, kündigt Klinikum-Geschäftsführer Rolf Weigel im Interview mit unserer Zeitung an. „Wir werden dort im kommenden Jahr vermutlich 100 weitere Studierende aufnehmen und ein Gebäudeteil soll zu einem Vorlesung- und Seminarbereich umgebaut werden. „Künftig wären dann am HKZ 400 Studenten untergebracht. kai FOTOS: KLINIKUM BAD HERSFELD/NH

 

„Der Klinikneubau wird keine zweite Elphie“

INTERVIEW mit den Geschäftsführern des Klinikums Rolf Weigel und Sascha Sandow

Hersfeld-Rotenburg – Die Entwicklung des Klinikums Hersfeld-Rotenburg und der geplante Neubau im Zuge des Umstrukturierungsprozesses war auch in diesem Jahr eines der wichtigsten Themen im Kreis. Im Interview mit unserer Zeitung ziehen die beiden Geschäftsführer Rolf Weigel und Sascha Sandow Bilanz und wagen einen Ausblick. Mit den beiden Klinik-Managern sprach Kai A. Struthoff.

Herr Weigel, Herr Sandow, bundesweit kämpfen die Krankenhäuser mit finanziellen Problemen. Wie ist das Klinikum durch das Jahr 2023 gekommen?

ROLF WEIGEL: Wir hatten bereits Ende 2022 dem Landkreis als Träger des Klinikums unsere finanzielle Hilfsbedürftigkeit signalisiert. Daraufhin hat uns der Kreis dankenswerterweise 30 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Das hat uns durch das komplette Jahr 2023 getragen und wird uns auch noch weit bis ins Jahr 2024 helfen. Nach wie vor arbeiten wir defizitär. Das resultiert vor allem aus der Mehrstandort-Politik der Vergangenheit, die einfach nicht tragfähig ist. Wir merken, dass das Klinikum Hersfeld-Rotenburg als Unternehmensverbund aus eigener Kraft in dieser Struktur wirtschaftlich nicht überleben könnte. Dank der Unterstützung durch den Kreis können wir die Gesundheitsversorgung aber wie gewohnt aufrechterhalten.

Wenn Sie sagen, das Klinikum arbeite defizitär, was heißt das in konkreten Zahlen?

WEIGEL: Wir werden, Stand jetzt, in diesem Jahr einen Verlust von bis 19 Millionen Euro machen. Wir haben 30 Millionen bekommen, es ist also noch Reserve da. Aber es gibt in ganz Hessen kein einziges Krankenhaus mehr, das Gewinne erwirtschaftet.

Nach langen Jahren mit Teils hitzigen Diskussionen rollen am Klinikum nun die Bagger für den Neubau und damit auch die Zusammenführung der Kliniken am Standort Bad Hersfeld. Wie sieht jetzt der weitere Fahrplan aus?

SASCHA SANDOW: Zurzeit werden vorbereitende Arbeiten für den eigentlich Bau ausgeführt. Dazu gehört unter anderem die Verlagerung des Hubschrauberlandeplatzes und des Mitarbeiterparkplatzes. Wir gehen davon aus, dass wir Ende März die Erdarbeiten starten, wofür wir etwa ein halbes Jahr benötigen werden, sodass dann im September der Bau des Gebäudes beginnt. Die Stadt Bad Hersfeld hat uns sehr gut unterstützt, etwa bei dem durchaus emotional diskutierten Thema der Baustraße oder der Überarbeitung des Bebauungsplanes. Wir können derzeit alle Fristen halten und gehen davon aus, dass die Gebäudeübergabe wie geplant Ende 2026 erfolgen kann.

Sie haben die emotionalen Diskussionen vor allem mit den Anwohnern erwähnt. Nun gab es bisher bereits drei Runde Tische mit den Betroffenen. Haben sich die Emotionen gelegt?

SANDOW: Wir haben diese Gespräche als sehr positiv und offen wahrgenommen. Von unserer Seite wurde sehr transparent über alle anstehenden Entscheidungen informiert und wir tauschen uns aus unserer Sicht sehr vertrauensvoll regelmäßig aus. Die Stadt Bad Hersfeld bringt sich beispielsweise bei der Suche nach einer zweiten Zuwegung zum Klinikum ein, die natürlich für alle Seiten von besonderem Interesse ist.

Wie könnte die aussehen?

SANDOW: Die Stadt Bad Hersfeld plant im kommenden Jahr, wie bereits berichtet, eine Machbarkeitsstudie, die uns Antworten auf die Frage gibt, welche Optionen bestehen.

WEIGEL: Gerne unterstützen wir als Klinikum hierbei die Stadt Bad Hersfeld, da wir an einer zweiten Zuwegung ein hohes Eigeninteresse besitzen. Wir dürfen uns dabei nicht allein auf den Seilerweg fokussieren, sondern brauchen auch beispielsweise für einen Havariefall – da reicht ja schon ein Wasserrohrbruch – eine alternative Zufahrt. Deshalb ist es uns wichtig, in gutem Einvernehmen einen Weg zu finden. Aber die Komplexität dieser Aufgabe ist groß.

In diesem Jahr wurde der Förderbescheid über 120 Millionen Euro von Bund und Land überbracht. Trotz dieser hohen Summe fürchten viele, dass das Geld angesichts der Inflation und der Zinssteigerungen für den Neubau nicht reichen wird. Kommen sie mit den insgesamt vermutlich rund 200 Millionen für den Neubau hin?

WEIGEL: Nach den ersten erfolgten Ausschreibungen stellen wir fest, dass sich die Planung auf dem Niveau der Baukostenhochrechnung bewegt. Bei den bisherigen Vergaben liegen wir unter den ursprünglichen Hochrechnungen und konnten deutliche Einsparungen erzielen. Die Zustimmung der kommunalen Gremien ging von Baukosten von etwa 190 Millionen Euro aus. Wenn es weiter so gut läuft, werden wir im geplanten Zielfenster liegen. Wir haben einen Projektsteuerer, der die Kosten im Blick behält und uns in dieser Einschätzung bestärkt. Wir wollen aus dem Klinikneubau ja keine „Elphie“ (Elbphilharmonie) machen.

Auch personell hat sich in diesem Jahr viel getan, Schlüsselpositionen wurden neu besetzt, renommierte Ärzte sind gegangen – und das nicht nur in den Ruhestand. Ist diese Fluktuation normal oder auch ein Ausdruck der Unzufriedenheit mit dem Kurs des Klinikums?

WEIGEL: Wir hatten eine ganze Reihe von personellen Veränderungen, allerdings sind die meisten tatsächlich in den Ruhestand gegangen. Ich glaube auch nicht, dass das ein Ausdruck der Unzufriedenheit ist. Wenn sich ein Unternehmen neu ausrichtet und ein neues medizinisches und bauliches Leitbild aufstellt – also grundlegende Dinge verändert – gibt es auch einzelne Menschen, die sagen, das ist nicht mehr mein Weg und sich anders orientieren wollen. Es werden nie alle applaudieren, wenn Dinge verändert werden. Das Jahr 2023 war vermutlich das Jahr mit den meisten Personalbewegungen. Im Jahr 2024 steht aktuell nur eine Berentung auf Leitungsebene an.

Alle Unternehmen haben zurzeit Schwierigkeiten, Fachkräfte zu finden. Bei medizinischem Personal mag das sogar noch etwas anspruchsvoller sein. Wie schätzen Sie die Attraktivität des Klinikums als Arbeitgeber ein?

WEIGEL: Wir bekommen wirklich viele interessante Bewerbungen, weil sich potenzielle Mitarbeiter genau anschauen, welche Antworten ein Klinikum für die Herausforderungen der Zukunft hat. Gerade durch die Konzentration der Standorte, das medizinische Konzept, den Neubau und dessen Ausstattung überzeugen wir viele Bewerber und konnten tolles Personal, gerade auch im Führungsbereich finden.

Sie haben auch den Flex-Pool ins Leben gerufen, bei dem Mitarbeiter sagen können, wann und wie viel sie arbeiten wollen, und Sie sagen, wo. Ist das bei hoch spezialisierten Berufen wie den medizinischen nicht schwierig?

WEIGEL: Der Flex-Pool löst nicht alle Probleme im Pflegedienst des Krankenhauses, aber er ist eine gute Unterstützung der Kernteams, die man natürlich in jeder Abteilung braucht. Wir haben in diesem Jahr 80 Mitarbeiter über den Flex-Pool zusätzlich für uns gewinnen können. Das Modell hat für die Mitarbeiter Vorteile, denn sie lernen dadurch unterschiedliche Bereiche kennen und können sich dann bei Interesse bei den Teams bewerben, die ihnen besonders liegen. Es ist gut, dass wir aus der Starrheit des Arbeitszeitsystems weggekommen sind und das hat sich bislang auch bewährt.

SANDOW: Hinzu kommt, dass die Mitarbeiter ja nicht unvorbereitet in den einzelnen Bereichen starten, sondern über mehrere Wochen vorbereitet werden, bevor sie allein Verantwortung übernehmen.

Die Politik diskutiert sehr intensiv über die Frage, ob und wie schnell Zuwanderer und Geflüchtete bei uns arbeiten können. Wären diese Menschen, etwa die vielen Ukrainer, für den Klinikbetrieb eine Bereicherung?

WEIGEL: Absolut! Darauf werden wir perspektivisch sogar angewiesen sein. In anderen europäischen Ländern arbeiten viel mehr Geflüchtete, gerade etwa aus der Ukraine. In diesen Zuwanderern steckt viel Potenzial, denn allein aufgrund des demografischen Wandels werden wir mit jungen Menschen aus der Region nicht alle jene ersetzen können, die in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen. Bei uns im Haus gibt es schon Programme, um Menschen, auch aus dem weiter entfernten Ausland, fit zu machen für die Arbeit bei uns.

Möglicherweise brauchen Sie aber bald viel weniger Mitarbeiter, denn auch am Klinikum kommen jetzt Roboter bei Operationen zum Einsatz. Ist eine solche Roboter-OP wirklich sicher und wird dieser Bereich weiter ausgebaut?

WEIGEL: Wir werden diesen Bereich weiter ausbauen, denn die Medizin entwickelt sich dahin weiter. Solche OPs sind aber nur Roboter-gestützt, denn die werden weiter von Menschen bedient und gesteuert. Im OP stehen deshalb genauso viele Menschen, wie bei einer herkömmlichen Operation, weshalb auch keine Einsparungen erzielt werden. Allerdings steigen die Qualität und Präzision der Eingriffe – dies beweisen internationale Studien. Zudem sind die Eingriffe minimalinvasiv und benötigen nur kleine Einschnitte, weshalb eine schnellere Wundheilung, eine geringere Schmerzbelastung und ein kürzerer Krankenhausaufenthalt resultieren. Trotzdem eignet sich der Roboter nicht für alle Eingriffe, weshalb auch die normalen chirurgischen Operationen weiter Bestand haben.

Im vergangenen Jahr hat sich hier viel bewegt. Gibt es auch Bewegung im Verhältnis zum Kreiskrankenhaus in Rotenburg?

WEIGEL: Der ganze auch von Gesundheitsminister Lauterbach vorangetriebene Prozess setzt vor allem eine engmaschige Vernetzung voraus. Ohne eine enge Kooperation und das gegenseitige Abstimmen von Leistungen wird es gar nicht mehr gehen. Wir kooperieren bereits seit geraumer Zeit mit dem Klinikum Fulda und dem KKH Rotenburg und kommen unseren gegenseitigen Verpflichtungen daraus nach. Für eine Ausweitung dessen stehen unsere Türen immer offen. Auch das Kreiskrankenhaus, wie auch wir werden in Zukunft auf Partner angewiesen sein, um fortbestehen zu können. Und die Auswahl dafür ist im ländlichen Raum begrenzt.

Blicken wir nach vorn: Was sind die größten Herausforderungen des kommenden Jahres?

SANDOW: Ein wesentliches Thema wird die Digitalisierung darstellen, die auch vom Gesetzgeber forciert wird. Hier setzen wir viel Fördermittel ein, damit wir deutlich digitaler werden. Positiv für Patienten und Angehörige wird im kommenden Jahr unser flächendeckendes W-Lan Angebot unter anderem im Klinikum sein – da hapert es zurzeit noch und wir haben Nachholbedarf. In der Apotheke wird eine lückenlose digitale Dokumentation eingeführt – vom Auspacken der Tablette bis zur Verabreichung.

WEIGEL: Außerdem werden wir ein neues Zentrum für Orthopädie, Unfallchirurgie und Neurochirurgie bilden. Weiterhin werden wir unser ambulantes OP-Zentrum ausbauen, weil dieser Bereich immer mehr Bedeutung gewinnt. Zudem wird natürlich auch der Neubau weiter an Fahrt aufnehmen.

Wie geht es mit dem HKZ weiter?

WEIGEL: In den Räumlichkeiten des HKZ wird das Rotenburger Studienzentrum der Finanzverwaltung seine Aktivitäten ausweiten. Wir werden dort im kommenden Jahr vermutlich 100 weitere Studierende aufnehmen und ein Gebäudeteil soll zu einem Vorlesung- und Seminarbereich umgebaut werden. Künftig wären dann am HKZ 400 Studenten untergebracht.

Wie sieht es mit den Tarifverhandlungen mit den Mitarbeitenden aus?

WEIGEL: Wir sind mit der Gewerkschaft Verdi im Gespräch, um eine tarifliche Lösung für alle Mitarbeiter zu finden. Das sind natürlich in der wirtschaftlichen Situation keine ganz einfachen Verhandlungen, aber die Gewerkschaft fordert nicht nur ein, sondern berücksichtigt auch unsere Möglichkeiten. Dabei spielt auch der Fortgang der Gesundheitsreform rein, aber dieser Weg ist derzeit noch nicht absehbar. Sie sehen also: Im Krankenhaus wird es nie langweilig.

 

Zur Person


Rolf Weigel wurde in Gießen geboren und ist studierter Betriebswirt. Er verfügt über lange Erfahrung im Gesundheitswesen. Er hat bei verschiedenen Kliniken gearbeitet. Seit dem 1. Juli 2020 ist Weigel Geschäftsführer des Klinikums. Weigel ist verheiratet und lebt in Eisenach.


Sascha Sandow ist gebürtiger Hersfelder und seit Anfang April 2022 Kaufmännischer Direktor des Klinikums Bad Hersfeld. Der studierte Betriebswirt ist seit vielen Jahren im Klinikverbund in verantwortlicher Position beschäftigt. Sandow ist verheiratet und lebt in Friedewald.

Hier finden Sie den Artikel aus der Hersfelder-Zeitung vom 27.12.2023