Dramatische Situationen in den Krankenhäusern

Während Corona-Leugner ihre Argumentation insbesondere bis zum Herbst vielfach darauf stützten, dass angeblich weniger Menschen gestorben sind als sonst, sprechen die Zahlen in Waldhessen eine klare Sprache: 2020 und noch stärker im Januar dieses Jahres ist eine deutliche Übersterblichkeit zu verzeichnen. Das geht aus den Zahlen hervor, die alle 20 Kreis-Kommunen auf Anfrage unserer Zeitung gemeldet haben.
Im Jahr 2020 starben 1492 Einwohner des Landkreises. Im Vorjahr waren es nur 1311 – eine Steigerung von 14 Prozent. Im Januar ist die Übersterblichkeit noch wesentlich höher. Der Eindruck, dass derzeit viel mehr Todesanzeigen als sonst in den Zeitungen zu finden sind, täuscht also nicht: Im Januar 2020 starben 122 Einwohner des Kreises, im Januar dieses Jahres waren es mit 183 exakt 50 Prozent mehr. Auch schon im Dezember wurde ein extrem erhöhter Wert von Sterbefällen registriert: 154 und damit 24 Prozent mehr als im Dezember des Vorjahres.
Die Zahl der verstorbenen Einwohner unterscheidet sich auch in „normalen Zeiten“ zwischen den einzelnen Kommunen stark und hängt davon ab, wie viele Senioreneinrichtungen es dort jeweils gibt – denn die sind die Meldeadressen der Bewohner.
Mit Cornberg, Hauneck und Philippsthal gibt es auch drei Gemeinden, in denen etwas weniger Todesfälle zu verzeichnen waren als im Vorjahr. Eine dreistellige Zahl von Todesfällen ist neben den vier Städten Bad Hersfeld (329, plus 7 Prozent), Rotenburg (230, plus 26 Prozent), Heringen (123, plus 12 Prozent) und Bebra (112, plus 44 Prozent) nur in Niederaula zu verzeichnen. 114 Einwohner der Marktgemeinde starben im vergangenen Jahr, ein Anstieg von 19 Prozent. Das Kreisaltenheim in Niederaula war in der ersten Welle im Frühjahr hart von der Corona-Pandemie getroffen worden.
Beim Vergleich mit Zahlen aus dem Jahr 2019 ist zu berücksichtigen, dass in diesem Jahr im Landkreis vergleichsweise wenig Sterbefälle zu verzeichnen waren. Das geht aus den Angaben des Statistischen Landesamtes hervor. Das veröffentlicht die Zahlen aller im Landkreis verstorbenen Personen – dazu gehören neben den Einwohnern der 20 Kreis-Kommunen zum Beispiel auch auswärtige Patienten der Krankenhäuser. 2019 waren das 1498 Personen und damit 4,6 Prozent weniger als im Durchschnitt von 2015 bis 2019. Der Mittelwert für diese fünf Jahre liegt bei 1567 Sterbefällen. Für 2020 liegen die Zahlen beim Landesamt noch nicht vor.

Hier finden Sie den Bericht aus der Hersfelder-Zeitung vom 13.02.2021

Was bei der Bewertung der Statistik neben direkt mit der Corona-Pandemie in Zusammenhang stehenden Sterbefällen noch zu berücksichtigen ist, erklärt die Geschäftsführung des Klinikums Hersfeld-Rotenburg:

In der Corona-Zeit sind im Landkreis deutlich mehr Menschen gestorben als im vorangegangenen Jahr, als noch kein Mensch von Covid-19 gehört hatte. Das belegen die von unserer Zeitung bei den Kreis-Kommunen abgefragten Zahlen eindeutig: Im Jahr 2020 waren es 14,8 Prozent mehr als 2019, im Dezember 24 Prozent und im Januar sogar 50 Prozent mehr als im Vorjahr. Aber wie sind diese Zahlen einzuordnen? Wir haben beim Klinikum Hersfeld-Rotenburg nachgefragt.
„Eine solche Statistik ist nur mit komplexen Berechnung mit epidemiologischen Hintergrund aussagefähig – das möchte ich den Fachleuten überlassen“, sagt Geschäftsführer Dr. Tobias Hermann. „Denjenigen in der Bevölkerung, die jedoch weiterhin behaupten, dass das Coronavirus nicht gefährlich sei, kann ich nur entgegnen, dass das Klinikum in den vergangenen Wochen teilweise dramatische Situationen miterleben musste.“
Wenn rund die Hälfte der im Kreis zur Verfügung stehenden Intensivbetten mit Covid-19-Patienten belegt seien, sollte auch ein Laie erkennen, wie ernst diese Erkrankung verlaufen kann. „Das Leid, der Schmerz und die Trauer der Familien über den Verlust von Angehörigen verschwindet nicht durch Leugnen – das ist leider die Realität.“
Die Kardiologie des Klinikums hatte 2020 mehrfach alarmierend darauf hingewiesen, dass bedingt durch die Pandemie deutlich mehr Herztote zu verzeichnen waren. Die Angst vor einem Besuch beim Arzt oder gar im Krankenhaus sei sicherlich für schwerere Krankheitsverläufe verantwortlich. Ähnliches verzeichnet das Klinikum übrigens auch auf anderen Stationen. „Die Versorgung von Nicht-Covid-Patienten ist aktuell auf Notfälle und medizinisch dringliche Eingriffe reduziert worden. Nur so sind wir in der Lage, die Covid-19-Patienten mit deutlich höherem Personalaufwand zu behandeln“, sagt Hermann.
Wie hoch die Opferzahlen der Pandemie direkt und indirekt am Ende sein werden, lasse sich noch nicht sagen. Fachleute würden das in den nächsten Jahren sicherlich wissenschaftlich aufarbeiten. Aber: Die Steigerungsraten bei den Sterbefällen, die aus den Angaben der Kommunen hervorgehen, komme der Steigerungsrate nahe, die auch im Klinikum beobachtet worden sei.
Zu berücksichtigen ist bei der Analyse von Todeszahlen auch, dass die normale Grippe diesen Winter quasi ausgefallen ist. Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete gestern, dass derzeit deutschlandweit nur 20 bis 30 Influenza-Fälle wöchentlich gemeldet werden. Normalerweise sind es zu dieser Jahreszeit Tausende oder sogar Zehntausende. Grund sind die Hygienemaßnahmen, die natürlich auch gegen die Übertragung von Grippe-Viren helfen, so das RKI. Foto: Christian Wink/nh

Hier finden Sie den Bericht aus der Hersfelder-Zeitung vom 13.02.2021