Begleitung am Lebensende

Der Bedarf an qualifizierten Sterbebegleitungen ist in Hessen unverändert hoch. Im Jahr 2021 wurden hessenweit über 4200 Sterbebegleitungen von der Gesetzlichen Krankenversicherung mitfinanziert, davon fast die Hälfte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Das teilt die AOK in einer Pressemitteilung mit. Insgesamt 2300 von ihnen finden im privaten Umfeld der Patientinnen und Patienten statt. Die AOK hat 2,65 Millionen Euro für insgesamt 82 Hospizdienste in Hessen ausgegeben.

Auch im Landkreis Hersfeld-Rotenburg ist die Nachfrage nach ambulanter medizinischer Betreuung durch das Palliativteam Waldhessen sowie nach Sterbe- und Trauerbegleitung durch die ehrenamtlichen Hospizvereinehoch bzw. ist sogar gestiegen. Das teilt auf Nachfrage unserer Zeitung Ilona Erbe vom Regionalen Hospizverein Rotenburg mit.

Während vor einigen Jahren noch 12 bis 15 Menschen pro Jahr begleitet wurden, seien es zuletzt 35 gewesen. Von kontinuierlich etwa 30 Begleitungen im Jahr spricht Martina Lotz-Hartwig vom Ökumenischen Hospizverein Bad Hersfeld. Zugenommen habe aber, so erklärt ihre Koordinatorenkollegin Birgit Berger, der Bedarf an Trauerbegleitungen von Angehörigen, die darunter litten, dass sie während der Pandemie nicht Abschied nehmen konnten. Die Trauerbegleitung werde allerdings rein ehrenamtlich geleistet. Dafür gebe es keine Unterstützung von den Krankenkassen. Die Kassen  finanzierten die Ausbildung der Ehrenamtlichen und die Arbeit der Koordinatoren sowie einige Sachkosten. Dafür sei aber auch der bürokratische Aufwand größer geworden.

„Die Nachfrage ist größer geworden“, hat auch Ulrike Mäthrich, Leiterin des Palliativ-Teams Waldhessen, festgestellt. Sechs speziell ausgebildete Pflegekräfte, fünf Ärzte, von denen die meisten allerdings nur Bereitschaftsdienste übernehmen, und ein Psychoonkologe kümmern sich um Patienten mit weit fortgeschrittenen, lebensbegrenzenden Erkrankungen. Gut 280 Personen wurden im Jahr 2021 ambulant versorgt, berichtet Mäthrich. 240 waren es 2020.

Krankenkassen zahlen für Sterbebegleitung
Seit 2007 ist es in Deutschland gesetzlich geregelt, dass jedem lebensbegrenzend Kranken eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung zusteht, erklärt Dr. Ulrike Mäthrich. Finanziert werde das von den Krankenkassen. Die Kassen zahlten zudem einen festen Betrag pro Mitglied in einen gemeinsamen Topf ein, aus dem die Hospizvereine Geld erhalten, zum Beispiel für die Ausbildung der Ehrenamtlichen, Kilometergeld oder die Koordination.

Begleitung bis zum Schluss / Hospizvereine und Palliativ-Team sind gefragt

Die Nachfrage nach ambulanter palliativer Versorgung im Kreis ist zwar gestiegen, es werde aber, so betont Dr. Ulrike Mäthrich, Leiterin des Palliativ-Teams Waldhessen und der Palliativ-Station am Klinikum in Bad Hersfeld, nicht mehr  gestorben als früher. Zahlreiche Patienten würden über einen längeren Zeitraum phasenweise begleitet. „Es ist nicht so, dass es gleich ans Sterben geht, wenn das Palliativ-Team kommt“, widerspricht Mäthrich einem oft gehörten Vorurteil. Vielmehr sei es dank der großen Fortschritte in der Medizin – gerade bei Krebspatienten – heute möglich, dass diese Patienten bei relativ hoher Lebensqualität länger leben könnten, erklärt die Ärztin. „Sterbebegleitung ist nur ein Teil unserer Aufgabe. Wir machen auch ganz viel Lebensbegleitung in schwieriger Zeit“, sagt Ulrike Mäthrich.

Zuständig sei das Palliativ-Team, wenn Patienten aller Altersgruppen unter schweren Symptomen, wie zum Beispiel
Schmerzen, Übelkeit oder Luftnot, litten und die Hausärzte um Unterstützung der Spezialisten bäten. „Wir betreuen den Patienten dann so lange, bis das Problem gelöst ist, und kommen erst wieder, wenn das nächste Problem auftaucht“, erläutert Mäthrich. Das Palliativ-Team sei eine Ergänzung zu Hausarzt und Pflegedienst, kein Ersatz, betont sie, weiß aber, dass die Situation gerade für schwer kranke Menschen am Ende ihres Lebens besonders schwierig ist, wenn es vor Ort keinen Hausarzt mehr gibt, wie das bereits in einigen Gemeinden im Kreis der Fall ist. Wenn das Krankheitsbild nicht den Kriterien für das Palliativ-Team entspricht, müssten auch Patienten abgelehnt werden, bedauert Mäthrich.

Wartelisten gibt es allerdings nicht. Jeder, der einen Grund habe, werde versorgt. Eng verzahnt ist die Arbeit des Palliativ Teams mit der Palliativ-Station am Klinikum in Bad Hersfeld, schon weil die Ärzte die Patienten hier wie dort betreuen. Dadurch sei eine Behandlungskontinuität gewährleistet, sagt Mäthrich. Das sei für viele Menschen sehr erleichternd. Auf die Station kommen übrigens die wenigsten Patientinnen und Patienten zum Sterben. Zwei Drittel würden wieder nach Hause entlassen, erklärt Mäthrich. Der Klinikaufenthalt sei aber oft nötig, wenn zusätzliche Diagnostik erforderlich sei, wenn sich die belastenden Symptome zu Hause nicht in den Griff bekommen ließen oder wenn Angehörige einfach nicht mehr könnten.

Für ihre Patienten sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Palliativ-Teams jederzeit erreichbar. Viele Probleme könnten allerdings telefonisch gelöst werden, erklärt Ulrike Mäthrich. „Das ist der Vorteil, weil wir alle unsere Patienten gut kennen.“

Hintergrund

Palliativmedizin leitet sich von dem lateinischen Begriff „pallium“(Mantel, ummanteln) ab und bedeutet eine umfassende Versorgung von Patientinnen und Patienten, wenn eine Krankheit so weit fortgeschritten ist, dass eine Heilung nicht mehr möglich ist. Die Palliativmedizin stellt die Lebensqualität der Betroffenen in den Mittelpunkt und behandelt Schmerzen und andere körperliche Beschwerden wie Atemnot, Übelkeit oder Unruhe mit einem multiprofessionellen Team. Dabei werden auch die Angehörigen mit einbezogen. Quelle: klinikum-bad-hersfeld.de/palliativmedizin

Damit der letzte Weg nicht einsam ist

Neben der medizinischen Versorgung durch das Palliativ-Team gibt es für Menschen in der letzten Phase ihres Lebens und deren Angehörige auch das Angebot der Begleitung durch ehrenamtliche Hospizhelfer. Darum kümmern sich der Regionale Hospizverein Rotenburg und der Ökumenische Hospizverein Bad Hersfeld. Der Bedarf an Begleitungen habe in den vergangenen Jahren zugenommen, berichtet Ilona Erbe, Koordinatorin beim Rotenburger Hospizverein. Viele Heimbewohner seien einsam, weil sie entweder keine Angehörigen mehr hätten oder die Familien weit weg lebten. Da seien die Besuche der Hospizhelfer sehr willkommen. Die Begleitungen richten sich nach dem Bedürfnis der sterbenden Menschen. Einige freuen sich, von früher erzählen zu können, andere sind einfach froh über Gesellschaft oder hören gerne zu, wenn ihnen vorgelesen wird.

Über den Tod und das Sterben wird auch manchmal gesprochen, aber eher bei Jüngeren, erzählt die Koordinatorin, deren Aufgabe es ist, gemeinsam mit ihren Kolleginnen Hospizhelfer und Betroffene so zusammenzubringen, dass es für beide und auch für die Angehörigen passt. „Meist merken die Ehrenamtlichen sehr schnell, welche Bedürfnisse es gibt und wo der Schuh drückt“, weiß Erbe. Die Auswirkungen der Corona- Pandemie haben auch die Hospizvereine bemerkt.

Einige Heime und Krankenhäuser hätten zum Schutz der Bewohner und Patienten keine Besucher ins Haus gelassen, berichtet Birgit Berger, Koordinatorin beim Ökumenischen Hospizverein Bad Hersfeld. Teilweise gab es in Familien Bedenken, Fremde ins Haus zu lassen und auch Ehrenamtliche hätten Angst vor Ansteckung gehabt, sagt Ilona Erbe. „Wir hatten allerdings mehr Anfragen für Trauerbegleitung“, stellt Birgit Berger fest. Menschen seien in seelischer Not gewesen, weil sie nicht von ihren sterbenden Angehörigen Abschied nehmen konnten und weil tröstende Rituale wie Trauerfeiern oder auch der Beerdigungskaffee fehlten.

Alle ehrenamtlichen Hospizhelfer werden vorher ausgebildet. Die Ausbildung dauert ein halbes Jahr und umfasst auch ein Praktikum. Sie ist für die Ehrenamtlichen kostenlos und verpflichtet sie auch nicht zum Einsatz bei Sterbenden. Wer den Verein unterstützen möchte, kann auch andere Aufgaben übernehmen. In Rotenburg beginnt der nächste Kurs im Oktober, in Bad Hersfeld bereits im März. Höchst willkommen sind Ehrenamtliche in beiden Vereinen. zac

Kontakt: Ökumenischer Hospizverein Bad Hersfeld,
Telefon 06621 - 79 47 42, Handy 0174 - 80 10 400,
E-Mail info@hospiz-hersfeld.de,
Regionaler Hospizverein Rotenburg,
Tel. 06623 - 86 2222, E-Mail:
hospizverein@kkh-rotenburg.de.

Hier finden Sie den Bericht aus der Hersfelder-Zeitung vom 14.03.2022