Was die Netzhaut alles verrät

Der Augenhintergrund gibt Aufschluss über Diabetes, Bluthochdruck und andere Krankheiten.

Wir sehen sie nicht, aber sie ermöglicht uns das Sehen. Außerdem kann sie frühzeitig Aufschluss über Krankheiten geben, die nicht in erster Linie die Augen betreffen: Die Netzhaut als Augenhintergrund ist ein Spiegel vieler  Erkrankungen, erklären die Fachärzte für Augenheilkunde, Rakhal Sen und Dr. med. Katarzyna Bahner vom  Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) Hersfeld-Rotenburg.

Was ist die Netzhaut und wann ist eine augenärztliche Untersuchung sinnvoll?

Die Netzhaut (Retina) ist wie eine Tapete im Innern des Auges. Sie befindet sich sozusagen auf der Rückseite des Augapfels. Sie setzt sich aus Sinneszellen zusammen und ermöglicht uns das Sehen. Grundsätzlich sollte bei jeder Veränderung des scharfen Sehens eine augenärztliche Untersuchung erfolgen. In höherem Alter sind häufig Erkrankungen der Linse (Grauer Star) oder ab circa dem 40. Lebensjahr die „normale“ Altersweitsichtigkeit für eine Sehverschlechterung verantwortlich. Auch Bluthochdruck oder Diabetes können zu  Netzhautschäden führen. Bei Erkrankungen des Sehnervenkopfes und bei erhöhtem Augendruck ist eine augenärztliche Untersuchung besonders wichtig. Diese wird ab 40 alle drei Jahre, ab dem 65. Lebensjahr alle ein bis zwei Jahre empfohlen.

In welchen Intervallen sollten sich Diabetes-Patienten untersuchen lassen?

Kinder vor dem elften Lebensjahr müssen erst untersucht werden, wenn der Diabetes bereits fünf Jahre besteht. Schwangere mit einem Diabetes sollten erstmalig bei Feststellung der Schwangerschaft untersucht werden, danach entscheidet der Augenarzt über die weiteren Intervalle. Patienten mit Typ-2-Diabetes sollten sofort bei Feststellung der Erkrankung untersucht werden. Anschließend sind jährliche Kontrollen sinnvoll. Sollten bereits Veränderungen im Augenhintergrund nachweisbar sein, werden häufigere Kontrollen empfohlen.

Was ist die sogenannte Diabetische Retinopathie?

Dabei handelt es sich um eine Veränderung der Netzhaut, die sich in verschiedenen Befunden äußern kann. Es  entstehen je nach Stadium Ablagerungen, Gefäßneubildungen oder Blutungen bis zur Netzhautablösung. Eine  Erblindung ist möglich. Die Betroffenen sehen unscharf und verschwommen. Je nachdem, welche Bereiche der Netzhaut betroffen sind, sind die Symptome unterschiedlich schwer. Die Diagnose wird vom Augenarzt mittels einer  nicht-invasiven Augenhintergrundspiegelung gestellt. Um Genaueres sagen zu können, ist oft eine Farbstoffuntersuchung der Netzhaut notwendig. Neu gewachsene Gefäße können mittels Laser verödet werden,  allerdings nur, wenn sie nicht in der Makula (gelber Fleck) liegen. Ist die Netzhaut abgelöst oder liegt eine Glaskörperblutung vor, muss operiert werden.

Was ist bei Bluthochdruck (Hypertonie) zu beachten?

Die Netzhaut ist die einzige Stelle im Körper, an der Gefäße direkt betrachtet werden können. Nachweisbar sind  zunächst Verengungen der Gefäße. Bei länger bestehender oder schwerer Hypertonie kann es zur Entwicklung von flammenförmigen Netzhautblutungen und einem Netzhautödem kommen. Augenärzte empfehlen Menschen mit  Bluthochdruck oder Erkrankungen der Nieren, von Zeit zu Zeit die Augen untersuchen zu lassen. Mögliche  Netzhautveränderungen lassen sich so rechtzeitig erkennen. Sie können andererseits auch erste Hinweise auf  Bluthochdruck sein.

Welche Diagnosen sind mit der Netzhaut noch möglich?

Zum Beispiel die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) als Stoffwechselstörung der Netzhaut, die  Druckschädigung des Sehnervenkopfes (Glaukom), die Schwellung des Sehnervenkopfes durch Hirndrucksteigerung etwa bei einem Hirntumor oder durch eine Entzündung des Sehnervenkopfes, die Netzhautablösung, Gefäßverschlüsse, Netzhautlöcher oder -risse sowie Tumore im Auge. Die AMD ist die häufigste Ursache für eine erhebliche Minderung des zentralen Sehvermögens. Ab 55. Jahren wird deshalb eine  Netzhautspiegelung empfohlen.

Wie äußert sich eine Netzhautablösung?

Ein wichtiges Symptom sind plötzliche Lichtblitze, Betroffene sehen zudem einen „dunklen Schleier oder „Rußregen“. Die inneren Anteile der Netzhaut lösen sich von ihrer Versorgungsschicht. Eine Netzhautablösung ist ein augenärztlicher Notfall, der möglichst schnell behandelt werden sollte.

Welche Medikamente können zu Nebenwirkungen am Auge führen?

Kortikosteroide können zu einer Augendruckerhöhung, einem Katarakt oder einer erhöhten lnfektionsgefahr führen. Auch Herzmedikamente (Amiodaron), Antibiotika (Ethambutol), Antiepileptika (Vigabatrin) oder Medikamente, die bei Brustkrebs zum Einsatz kommen (Tamoxifen), können zu zum Teil gravierenden Nebenwirkungen am Auge führen. Foto,Text: nm

pdf Artikel aus der HZ v. 07.01.2015